Der erste Zollanschluß-Vertrag. 627 Im übrigen waren seine Hoheitsrechte sorgsam, fast ängstlich gewahrt; selbst die Steuervisitationen auf schwarzburgischem Gebiet sollten nur durch die fürstlichen Beamten vollzogen werden. Im Wippertale herrschte laute Freude. Der Fürst dankte tief gerührt für dies neue Zeichen königlicher Hochherzigkeit:“) nun konnte er endlich sein berühmtes Rauchtheater eröffnen, wo er mit den Bürgern seiner Re— sidenz um die Wette den Musen des Dramas und der Rauchkunst huldigte. Finanziell betrachtet war das Abkommen unzweifelhaft ein Löwenvertrag zugunsten Sondershausens; Preußen brachte um des politischen Zweckes willen ein Geldopfer, denn das wenig bemittelte Thüringer Bergländchen verzehrte von den einträglichsten Zollartikeln, den Kolonialwaren, weit weniger als der Durchschnitt der östlichen Provinzen. Um so berechtigter schien die Erwartung, daß die übrigen Kleinen dem Beispiel Sondershausens folgen würden. Im Eingange des Vertrags hatte der König nochmals erklären lassen, daß er bereit sei ähnliche Abkommen mit anderen Bundesfürsten zu schließen. Rudolstadt begann schon zu ver- handeln. Auch mit Braunschweig, Weimar, Gotha dachte Hoffmann binnen kurzem ins reine zu kommen und bereits ging er mit seinen Entwürfen über die Grundsätze des Enklavensystems hinaus. Die unglückliche zer- rissene Gestalt seines Gebiets zwang den preußischen Staat, auch wenn er auf alle Eroberungspläne verzichtete, mindestens zum handelspolitischen Ehr- geiz; er konnte sein Steuersystem kaum durchführen, wenn er nicht außer den Enklaven auch noch einige nur halb umschlossene Nachbarlandschaften seinem Zollgesetze unterwarf. Da lag Anhalt-Bernburg, das auf eine kleine Strecke Weges nicht an Preußen grenzte und also gewissenhaft als Aus- land behandelt wurde. Was war der Dank? Ein ungeheurer Schmuggel, der von Monat zu Monat anwuchs und die Zolleinnahme der Provinz Sachsen zu verschlingen drohte. Schon im Oktober wurden 4023 Zentner, zumeist Kolonialwaren, in die anhaltischen Harzstädtchen bei Ballenstedt eingeführt um alsbald spurlos zu verschwinden. Mindestens dies Vorland, meinte Hoffmann, müsse sogleich in die Zollinie eintreten; werde der Ver- trag mit Sondershausen nur erst bekannt, dann könnten sich die kleinen Nachbarn nicht länger mehr wider ihren eigenen Vorteil sträuben.) Die Hoffnung trog. Jener Zoll-Vertrag, der uns heute so selbstver- ständlich erscheint, sollte während mehrerer Jahre der einzige bleiben. Kaum ward er ruchbar, so erscholl an allen Höfen ein Schrei des Zorns. Fürst Günther mußte von seinen durchlauchtigen Genossen ernste Vorwürfe hören, weil er das Kleinod der Souveränität so würdelos preisgegeben; die andern kleinen Nachbarn, die seinem Vorgange bereits folgen wollten, traten, eingeschüchtert durch die allgemeine Entrüstung, von den Verhand- *) Weise jun. an Hoffmann, Nov. 1819. *“) Lestocq an Bernstorff, 29. Okt., Hoffmann an Bernstorff, 18. Dez. 1819. 40