I. E. M. Arndt und Wrede. Zu Bd. I S. 612. E. M. Arndt erzählt in seinem bekannten Buche „Meine Wanderungen und Wan- delungen mit dem Freiherrn vom Stein“ (S. 218) folgendes: „Steins Zorn gegen Wrede hatte noch seinen besonderen Haken. Von allen deutschen Truppen unter fran- zösischem Kommando hatten in Norddeutschland die Bayern und die Darmstädter durch Roheit, Zuchtlosigkeit und Plünderungssucht den schlechtesten Ruf hinter sich gelassen. Wrede ward wohl mit Recht beschuldigt, den Seinigen nicht nur vieles nachgesehen, sondern ihnen auch selbst das böseste Beispiel gegeben zu haben. Bei einem solchen Bei- spiel hatte ihn nun Stein erfaßt und zwar recht tüchtig angefaßt. Wrede war in Schloß Ols in Schlesien einquartiert, im Schlosse des Herzogs von Braunschweig. Hier hatte er es ganz den gierig unverschämten französischen Räubern nachgemacht, den Soult, Massena und ihresgleichen, welche das Silber (Löffel, Teller), womit sie von ihren Wirten bedient wurden, nach der Tafel gewöhnlich einpacken und mit ihrem Gepäck wandern ließen. So hatte Wrede in Ols ganz nach französischer Marschallsweise bei seinem Ab- zuge alles herzogliche Schloßsilber mit zu seinem Feldgepäck legen lassen. Der arme Schloß- vogt hatte dem nicht wehren gekonnt, hatte aber, damit er selbst nicht für den Räuber und Dieb des herzoglichen Silberschatzes gehalten würde, den Marschall um einen Schein gebeten, daß er in Kraft des Kriegsbefehls es sich habe ausliefern lassen. Und wirklich hatte der Feldmarschall ihm den genau spezifizierten vorgelegten Schein bei seinem Ab- marsch in einfältiger deutscher Uberraschung unterschrieben. Dieses Papierchen war nun im Jahre 1813 Steins Händen übergeben, und Wrede hatte den Wert des Raubs im folgenden Jahre mit einer hübschen Summe Geld zurückzahlen müssen.“ Die Form des Berichts erweckt den Eindruck, als ob er aus Mitteilungen Steins, also eines unmittelbar Beteiligten, herrührte; er enthält nichts Unwahrscheinliches und stammt aus der Feder eines Mannes, dessen strenge Wahrheitsliebe ebenso anerkannt ist, wie die erstaunliche, bis ins hohe Alter bewahrte Frische seines Gedächtnisses. In Schlesien wurde die häßliche Geschichte, wie ich aus bester Quelle versichern kann, lange bevor Arndts Buch erschien, in den Kreisen der älteren Männer, welche die Franzosenzeit erlebt hatten, häufig erzählt. Es lag also kein Grund vor, an ihrer Wahrheit zu zweifeln. Die „Wanderungen“ erschienen in der Blütezeit jenes mittelstaatlichen Ubermutes, der bald nachher auf den Schlachtfeldern des Mainfeldzugs seine Strafe finden sollte. Die bayrische Regierung dachte nicht vornehm genug, um die Ereignisse einer längst ab- geschlossenen, fünfzig Jahre zurückliegenden Vergangenheit allein der historischen Wissen- schaft zu überlassen, sondern ließ den Verfasser anklagen wegen Beleidigung der bayrischen Armee usw. Viele meiner Leser werden sich noch entsinnen, welches peinliche Auf- sehen dieser Prozeß in ganz Deutschland erregte. Arndt konnte in der Einleitung des Strafverfahrens nur eine beabsichtigte Gehässigkeit sehen; er weigerte sich vor dem bay- rischen Gerichte zu erscheinen und wurde im Dezember 1858 von dem Zweibrückener Assisengerichte in contumaciam zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht