Haltung Baierns und Württembergs. 7 nügen und schlug eine mittlere Richtung ein, welche, wie die Dinge lagen, für seinen Staat die einzig richtige Politik war. Er bekannte unverhohlen seine Verfassungstreue und verfocht mit juristischem Scharfsinn jene streng particularistische Ansicht des Bundesrechts, welche das Haus Wittelsbach schon auf dem Wiener Congresse und seitdem am Bundestage beharrlich vertreten hatte: nach der bairischen Doktrin war das Grundgesetz des Bundes allein in den elf ersten Artikeln der Bundesakte enthalten, die „besonderen Bestimmungen" der neun letzten Artikel über die inneren Ver- hältnisse der Bundesstaaten galten in München nur als eine freiwillige, nicht unbedingt verbindliche Verabredung zwischen souveränen Mächten. Aber man wußte stets woran man mit dem Baiern war. Von den libe- ralen Neigungen, die man ihm fälschlich zugetraut, zeigte er gar nichts; er vermied jedes Wort, das ihn in diesem Kreise verdächtigen konnte, um so vorsichtiger, da ihm seine Genossen nachdrücklich vorhielten, daß der Münchener Hof selber durch seine Hilferufe die Karlsbader Beschlüsse mit veranlaßt hatte. Blieb nur die Souveränität der Wittelsbacher und ihre Landesverfassung unangetastet, so bot er willig seine Hand zu jedem An- trage, der die „Ordnung“ sichern sollte; und da er in den Verhandlungen sich als ein ausgezeichneter Geschäftsmann bewährte, immer gelassen und höflich, arbeitsam und unterrichtet, ganz frei von Arglist, so kam er selbst mit Metternich, wie Rechberg vorausgesagt, auf einen guten Fuß. Mit Bernstorff verband ihn bald eine vertrauensvolle Freundschaft, und wie- der einmal erwies sich die Verständigung zwischen den beiden größten rein deutschen Staaten als naturgemäß und heilsam: sie konnte zwar, wie hier die Parteien standen, nur wenig Gutes schaffen, doch manche Thor- heit reaktionärer Parteipolitik verhindern. Minder freundlich, aber fast noch ungefährlicher erschien die Haltung Württembergs. Ueber den Plänen des Stuttgarter Hofes lag noch immer jenes seltsame Zwielicht, das dem Charakter König Wilhelms zusagte. Der preußische Gesandte vermochte schlechterdings nicht durchzusehen; bald versicherte ihm ein Minister, der Hof sei im Grunde mit den Karlsbader Beschlüssen ganz einverstanden, bald erging sich der König vor dem rus- sischen Gesandten in hochliberalen Aeußerungen.“) Die nämliche Unsicher- heit verrieth sich auch bei der Wahl der Bevollmächtigten für die Conferenz. Wintzingerode blieb in Stuttgart, aus denselben Gründen, welche Rech- berg in München zurückhielten: er wollte seinen Monarchen nicht aus den Augen lassen und in den Sitzungen des Geheimen Raths den Ausschlag geben.*) Statt seiner wurde Graf Mandelsloh bevollmächtigt, ein gut- müthiger, bequemer, urtheilsloser alter Herr, dessen politische Unschuld über jede Anfechtung erhaben war. Doch ganz ohne Hintergedanken ver- *) Küster's Berichke, 21. Sept., 23. Okt., 29. Nov. ff. 1819. **) Küster's Bericht, 26. Okt. 1819.