14 III. 1. Die Wiener Conferenzen. Thatsachen beugte. Dahin war der Deutsche Bund in kurzen fünf Jahren gelangt: jede noch so bescheidene Verbesserung seines Grundgesetzes konnte nur durch die Umgehung und Demüthigung seiner höchsten Behörde er- reicht werden. — Die sogenannte Schlußakte, welche nunmehr auf Metternich's Antrag aus den gefaßten Beschlüssen zusammengestellt wurde, enthielt in den 34 Artikeln ihres ersten Theils ausführliche Vorschriften über Wesen und Wirkungskreis des Bundes. Fast jeder Satz dieser allgemeinen Bestim- mungen war ein Triumph des Particularismus. In der ersten Sitzung nannte Metternich den Bundestag noch die oberste gesetzgebende Behörde des Bundes und versprach, die Souveränität jedes einzelnen Staates solle „nur insofern beschränkt werden, als es der Zweck der Einheit Deutsch- lands erfordere". Da legte Zentner sogleich Verwahrung ein: das Wort „deutsche Einheit“ gebe Anlaß zu Mißverständnissen, eine oberste gesetzgebende Gewalt sei in einem Bunde unmöglich — worauf denn Metternich als- bald einlenkte und begütigend erwiderte, natürlich habe er nur an eine vertragsmäßige Gesetzgebung gedacht. Den also angeschlagenen Ton hielt die Mehrheit auch im weiteren Verlaufe der Verhandlungen ein; die Schlußakte erklärte den Deutschen Bund für einen völkerrechtlichen Verein, eine Gemeinschaft unabhängiger Staaten mit wechselseitigen gleichen Ver- tragsrechten — eine Fassung, welche dem württembergischen Hofe sogar noch allzu unitarisch vorkam. Dem redlichen Fritsch ward doch zuweilen schwül ums Herz, da er das deutsche Gemeinwesen sich dergestalt in ein lockeres Vertragsverhältniß verflüchtigen sah; so suche man Deutschland zu entnationalisiren, schrieb er klagend, diese souveränen selbständigen Staaten würden ihre Unterthanen noch so unglücklich machen, „daß der Ruf nach Einheit zur Volksstimme und zur Volksrevolution wird“. Trotz- dem schloß sich der Gesandte der Ernestiner zuletzt unbedenklich den Be- schlüssen der Mehrheit an. Auch Bernstorff trat der particularistischen Auslegung des Bundesrechts nicht entgegen, da sie unleugbar den Worten und dem Sinne der Bundesakte entsprach. Ihm genügte, daß sich unter diesen doktrinären allgemeinen Sätzen doch eine praktisch werthvolle Be- stimmung befand: der Art. 6 gestattete die Abtretung von Souveränitäts- rechten zu Gunsten eines Mitverbündeten, und damit erhielt Preußen, ohne daß die Mehrheit es gewahr ward, freie Hand für seine Zoll- anschluß-Verträge. Der Bundestag sollte den Bund „in seiner Gesammtheit vorstellen“ seine Mitglieder blieben von ihren Souveränen „unbedingt abhängig“, ihnen allein für die Befolgung ihrer Instruktionen sowie für ihre Ge- schäftsführung verantwortlich (Art. 8). Durch diese Vorschrift dachte man zugleich jedem eigenmächtigen Verfahren der Bundesgesandten vorzubeugen und den Landtagen jeden Eingriff in die Bundesverhandlungen zu unter- sagen. Hier zeigte sich aber, wie wenig ein Diplomatencongreß schweren