Köthen gegen Preußen. 33 brauchen, um im Herzen des preußischen Staates dem Schleichhandel eine große Freistätte zu eröffnen, den gehaßten Nachbarstaat mit geschmuggelten Waaren zu überschwemmen und ihn vielleicht zur Aenderung seines Zoll— systems zu zwingen. Begierig ging der kleine Herr auf diese freund— nachbarlichen Gedanken ein; Gewissensbedenken berührten ihn nicht, und den Unterschied von Macht und Ohnmacht vermochte er nicht zu begreifen. Die wiederholten wohlwollenden Einladungen zum freiwilligen Anschluß an das preußische Zollsystem hatte er sämmtlich schroff abgefertigt, in jenem pöbelhaft schreienden Tone, der allen Schriftstücken dieses Hofes gemein war. „Anhalt — so erklärte er stolz — kann seine Rettung nur suchen in dem allgemeinen europäischen völkerrechtlichen Staatenvereine und in den Hilfsmitteln, welche ihm seine geographische Lage an großen Strömen darbietet.“ · Mehr oder minder eifrig klagten auch die meisten übrigen Bevoll— mächtigten wider die Selbstsucht des Staates, der allein dem Ideale der deutschen Handelseinheit im Wege stehe. Nur die Hansestädte, befriedigt mit ihrer kosmopolitischen Handelsstellung, wiesen jeden Versuch gemein— samer deutscher Handelspolitik kühl zurück. Auch Zentner zeichnete sich wieder durch kluge Besonnenheit aus; dem gestaltlosen Traumbilde einer allgemeinen Verkehrsfreiheit, deren Bedingungen noch Niemand kannte, wollte er das neue bairische Zollgesetz nicht opfern. Metternich aber ließ mit schlecht verhehlter Schadenfreude die Kleinen wider Preußen lärmen. Meisterhaft verstand der Wiener Hof, die Angst vor dem preußischen Ehrgeiz, die allen Kleinstaaten in den Gliedern lag, je nach Umständen für seine Zwecke auszubeuten. Im Oktober hatte Graf Bombelles auf ausdrücklichen Befehl des Kaisers Franz dem Großherzog von Weimar gedroht: wenn man die Karlsbader Beschlüsse nicht überall streng ausführe, dann müßten die beiden Großmächte aus dem Bunde ausscheiden, und dann würde der Kaiser sich genöthigt sehen, seinen preußischen Alliirten „in Deutschland eine erweiterte Stellung zu verschaffen.“)“ Ebenso un- bedenklich benutzte Metternich jetzt die Eifersucht der Kleinen um Preußens Handelspolitik zu bekämpfen. Freilich durfte er nicht wagen, die Gegner seines unentbehrlichen Bundesgenossen offen zu unterstützen, zumal da er selber an dem österreichischen Zollwesen nicht das Mindeste ändern wollte. Unter der Hand jedoch ermuthigte er die Ergrimmten und flüsterte ihnen zu, das preußische Zollgesetz sei das Werk einer Partei, deren Zwecke mit „treuem Bundessinne“ nichts gemein hätten.) Als handelspolitischen Rathgeber hatte er sich den Urheber der anhaltischen Schleichhandels- Pläne, Adam Müller, nach Wien kommen lassen. *) Dies erzählte Graf Bombelles selbst seinem preußischen Amtsgenossen in Dres- den, dem Gesandten v. Jordan (Jordan's Bericht, 18. Okt. 1819). *) An diese seine Aeußerungen wurde Metternich späterhin durch Marschall gemahnt (Marschall an Metternich, 10. Sept. 1820). v. Treitschte, Deutsche Geschichte. III. 3