42 III. 1. Die Wiener Conferenzen. würde.“ Wie flammte der kleine Köthener Herr auf, als er diese uner- hörte Aeußerung preußischen Uebermuthes erfuhr und gleichzeitig Bern- storff in einem neuen Mahnschreiben an die Köthener Regierung offen aussprach: „die norddeutschen Staaten haben den Schutz für ihre Existenz, ihre Wohlfahrt und Selbständigkeit und ihre gemeinnützigen Anstalten von Preußen zu erwarten.““) Der Herzog, der grade mit seinem könig- lichen Schwager zugleich in Karlsbad verweilte, berichtete sofort Alles an Marschall. „Ich schmeichle mir, so schrieb er, daß alle Gutgesinnten auf meiner Seite stehen und nicht zugeben, daß es Preußen erlaubt wird sich Alles zu erlauben. Ob einem Cabinet, das durch einen solchen Mann repräsentirt ist, zu trauen ist, lasse ich dahingestellt."“" Dann fuhr er höhnisch fort: „das Spaßhafteste ist, daß der König mit uns ebenso freund- lich als sonst ist"“ — und bat den Nassauer, auch fernerhin auf Wittgen- stein, „der ganz im guten Geiste ist“, wirken zu lassen, damit die Partei, welche das Zollgesetz halte, zu Falle komme. Im gleichen Tone antwortete Marschall: „Man hat zwar bisher ähnliche Phrasen in dem Munde deut- scher Revolutionäre gehört, nicht aber in dem eines Repräsentanten eines deutschen Königs. Wenn Preußen das nördliche Deutschland und ganz Deutschland schützt, so schützt umgekehrt das nördliche Deutschland und ganz Deutschland Preußen. Rechte und Verbindlichkeiten sind durchaus wechselseitig. Wer das Gegentheil behauptet, verletzt die erste und Haupt- grundlage des Bundes und bewegt sich außerhalb des Bundes. Nament- lich hat der mächtigste der deutschen Bundesstaaten, sowohl im Bunde als in Europa, bei jeder Gelegenheit den entgegengesetzten Grundsatz laut ausgesprochen und bei jeder Veranlassung geltend gemacht.“““) Dieser mächtigste der Bundesstaaten trieb unterdessen sein doppeltes Spiel weiter. Metternich, der ebenfalls in Karlsbad anwesend war, hielt zwar, auf Preußens Wunsch, einige Unterredungen mit dem Herzog, an- geblich um den Streit beizulegen..“) Aber zur nämlichen Zeit reichte die Köthener Regierung eine Klage beim Bundestage ein und forderte die Herausgabe eines dem Köthener Kaufmann Friedheim gehörigen Elbschiffes, das beim preußischen Zollamte Mühlberg an der Kette lag, weil der Schiffer für den Betrag der preußischen Zölle keine Sicherheit stellen wollte. Nach- her ergab sich — der österreichische Bevollmächtigte Münch in Dresden mußte es selber dem preußischen Gesandten eingestehen —, daß Adam Müller den Friedheim zu seiner Weigerung aufgestiftet hatte um den Streit vor den Bundestag zu bringen.“) Da Preußen unerschütterlich blieb, so bequemten sich die drei anhalti- *) Bernstorff an die herz. Landesregierung in Köthen, 30. Juni 1820. **) Herzog Ferdinand von Köthen an Marschall, Karlsbad 22. Juli; Antwort Marschall's, 3. Aug. 1820. ***) Fürst Hatzfeldt an Metternich, Karlsbad 10. Juli, an Bernstorff, 14. Juli 1820. #) Jordan's Bericht, Dresden 12. Nov. 1821.