Preußens zuwartende Haltung. 47 Bernstorff entgegengetreten, welche anmaßende Sprache hatte er anhören müssen, erst in Wien, dann in Dresden! Nach so niederschlagenden Er— fahrungen faßte man in Berlin den verständigen Entschluß, fortan keine Einladungen mehr ergehen zu lassen, sondern gelassen zu warten, bis die Noth den kleinen Nachbarn die Augen öffne. In diesem Sinne erging an sämmtliche Gesandten in Deutschland die gemessene Weisung, sich streng zurückzuhalten und auf alle handelspolitischen Anfragen lediglich zu antworten: der König habe schon im Jahre 1818 sich zu Verhand— lungen bereit erklärt, er hege noch immer den Wunsch, andere deutsche Staaten mit seinem Zollsysteme zu verbinden, jetzt sei es an den Nach— barn, dem guten Willen entgegen zu kommen. Eichhorn begründete diesen Entschluß mit der Erwägung, daß die Eifersucht der Dynastien durch Ein— ladungen erfahrungsmäßig nur gereizt würde: „Solche Anträge konnten zugleich als Aufforderungen zur Aenderung ihrer inneren Staatsgesetz— gebung und als ihre Selbständigkeit gefährdende Anmuthungen mißdeutet werden."““) Gegen das tiefeingewurzelte Mißtrauen der kleinen Höfe half nur eine Waffe: ruhiger Gleichmuth, der die Natur der Dinge für sich wirken ließ. Was verschlug es auch, wenn die Presse unablässig über Preußens selbstsüchtige Sonderstellung Wehe rief? Von der öffent- lichen Meinung, die sich noch weit verblendeter zeigte als die Höfe, hatte die Handelseinheit des Vaterlandes nichts zu erwarten; Preußens bester Bundesgenosse war die wachsende Finanznoth der kleinen Staaten. — Die Bevollmächtigten der constitutionellen Staaten trugen aus Wien die Gewißheit heim, daß ihre Verfassungen vorläufig vom Bunde nichts zu fürchten hatten. Während Zentner dies Ergebniß als einen Sieg be- trachtete, war Berstett voll Unmuths. Er hatte so sicher erwartet, daß die Wiener Versammlung seinen unruhigen Karlsruher Landtag zu Paaren treiben würde, und mußte nun mit leeren Händen heimkehren. Beim Schluß der Conferenzen richtete er noch einmal eine dringende Bitte an Metternich: jetzt da der politische Meuchelmord in Frankreich rase, sei es doch hohe Zeit, daß alle europäischen Mächte einander den Bestand der monarchischen Principien feierlich verbürgten. „Mit einer Derclaration der Rechte der Völker hat der Turnus der Revolutionen begonnen. Könnte er nicht mit einer Declaration der Rechte der Throne beschlossen werden?“ Dem österreichischen Staatsmanne kam diese Aufforderung im Augenblicke sehr ungelegen. Er brauchte für jetzt Ruhe in Deutsch- land, selbst um den Preis eines Waffenstillstands mit den verabscheuten *) Weisungen an Otterstedt, 2. Nov. 1822, 20. Febr. 1825 u. s. w. Eichhorn's Gutachten, 21. April 1824. Weisung an die Gesandtschaften, 25. März 1828.