Metternich's Ermahnungen an Berstett. 49 Es war das Glück seines Lebens, daß alle Erzeugnisse seiner Feder ihn selber mit aufrichtiger Bewunderung erfüllten. Dies sein neuestes Werk versetzte ihn fast in Verzückung, und er konnte sich nicht enthalten in einem Begleitschreiben an Berstett hinzuzufügen: „Es ist kein Wort darin, das ich nicht aus den Tiefen meines Denkens geschöpft hätte. Die Ruhe, welche Sie darin herrschen sehen, ist die Ruhe meiner Seele. Ich werde ein sehr theueres Ziel erreicht haben, wenn ich durch meine Worte — und der Ausdruck Worte scheint mir sehr schwach um den Werth meiner Arbeit zu bezeichnen') — Ihrem vortrefflichen Herrn zu beweisen ver— mag was wir wollen, glauben und hoffen!“ Als die Note bald nachher, wahrscheinlich mit Vorwissen ihres Verfassers, in mehreren deutschen und französischen Zeitschriften erschien, da hoffte Metternich, daß alle irgend besonnenen Politiker, nur die wildesten Radikalen ausgenommen, ihm für die förmliche Anerkennung der neuen Verfassungen danken würden. Bald genug sah er sich enttäuscht. Da das große Publikum jetzt zum ersten male eine geheime Denkschrift des gefürchteten Staatsmannes kennen lernte und mit den eigenthümlichen Redeblumen des Metternich'schen Stiles noch nicht vertraut war, so wurde der versöhnliche Sinn des Schreibens allgemein verkannt. Die Presse suchte den Kern der Note in jenen Phrasen über die Erhaltung des Bestehenden und schenkte den Mahnungen zur Verfassungstreue, in denen doch der praktische Zweck des Schreibens lag, keine Beachtung. Die Note vom 4. Mai erlangte einen europäischen Ruf. Zwei Jahrzehnte hindurch hieß sie bei der Opposition aller Länder „das Programm der Stabilitätspolitik, der Aufruf zum Kampfe wider das Vorwärtsschreiten der Zeit“, während sie in Wahr- heit bestimmt war, den badischen Hof vor reaktionären Gewaltstreichen zu warnen. Berstett selbst verstand die Absichten seines Meisters richtig und klagte dem treuen Marschall bitterlich, daß „unsere im reinsten deutschen Stile redigirte Schlußakte“ den gut gesinnten Regierungen so wenig Hilfe biete; aber „wenn man von außen keine Energie noch Unterstützung zu erwarten hat, so muß man à tout prix den inneren Frieden zu erhalten suchen.“““) So war es denn, seltsam genug, zum Theil das Verdienst von Metternich's besonnenen Rathschlägen, daß sich der badische Hof mit seinen kurz zuvor so ungnädig heimgeschickten Landständen wieder ver- söhnte. Diese Mäßigung hinderte den österreichischen Staatsmann freilich nicht, die Demagogenverfolgung in Baden, wie überall in Deutschland persönlich zu überwachen. Er konnte es nicht lassen seinen eigenen Büttel zu spielen. Selbst der Heidelberger Scharfrichter, der die Reliquien Sand's *) Et le mot de paroles me semble bien faible pour exprimer la valeur de mon travail. Metternich an Berstett, 4. Mai 1820. *“) Berstett an Marschall, 13. Okt. 1820. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 4