J. G. Hoffmann. 85 ihr Gutachten abgeben, nicht aber das Jahresbudget nochmals prüfen. Die Frage also, ob die Steuererhöhung unumgänglich sei, diese Frage, die alle Gemüther leidenschaftlich bewegte, durfte der Staatsrath gar nicht erörtern. Seine Verhandlungen wurden daher bald sehr gereizt, und vergeblich suchte Hardenberg durch wiederholte Unterredungen mit dem Kronprinzen den nahenden Sturm zu beschwören.“) Jene siegreiche Macht des Genius, welche einst aus Steins Gesetzen so überzeugend geredet hatte, war in den neuen Entwürfen allerdings nicht zu spüren. Ueberreich an glücklichen Einfällen hatte Hardenberg in seiner vornehmen Lässigkeit sich doch um die trockenen Details dieser Steuergesetze wenig gekümmert; ihr eigentlicher Urheber, J. G. Hoffmann aber besaß bei unbestreitbarem Talent nicht den schöpferischen Geist des Reformators. Der kleine, von seinem eigenen Werthe lebhaft überzeugte Mann, ein geborener Schlesier, rühmte sich gern der praktischen Er- fahrungen, die er nach gründlichen gelehrten Studien in verschiedenen Fabriken gesammelt hatte; dann erst, mehr als vierzigjährig, war er, als Kraus“' Nachfolger auf dem Königsberger Lehrstuhl, für kurze Zeit in die akademische Laufbahn eingetreten. Nach den Kriegen begleitete er den Kanzler zu allen Congressen und erwarb sich durch sein erstaunliches Gedächtniß und seinen rastlosen Fleiß bei der gesammten europäischen Diplomatie den Ruf eines statistischen Orakels. Das Berliner statistische Bureau erhob sich unter seiner Leitung zu einer Musteranstalt, deren Arbeiten den Gelehrten und den Praktikern gleich unentbehrlich wurden. Auch er war gleich den meisten seiner Amtsgenossen bei Adam Smith in die Schule gegangen und hatte schon vor 1806 eine Lanze für die Gewerbefreiheit gebrochen. Indeß bewahrte ihn seine Welt= und Geschäfts- kenntniß vor manchen Uebertreibungen der Theoretiker. Er ließ es sich nicht nehmen, daß der Zweck der Volkswirthschaftspolitik nicht in der höchstmöglichen Gütermasse, sondern in der Wohlfahrt der Menschen zu suchen sei und mithin der Staat den Arbeiter gegen die Uebermacht des Unternehmers schützen müsse, und zum Entsetzen aller rechtgläubigen Bekenner der englischen Doktrinen sprach er aus, daß die preußischen Institutionen der Wehrpflicht und der Schulpflicht auch der Volkswirthschaft unmittelbar zum Vortheil gereichten. In diesem Preußen ging all sein Denken und Trachten auf; ganz und gar ein preußischer Beamter, schrieb er alle seine wissenschaftlichen Werke „mit besonderer Beziehung auf den preußi- schen Staat“, die Beleuchtung der heimischen Gesetze und Zustände gelang ihm stets glücklicher als die Entwicklung der theoretischen Grundgedanken. Dies lebendige Verständniß für die Wirklichkeit der vaterländischen Dinge war freilich nicht frei von einer stillvergnügten Ruheseligkeit, die so weit es irgend anging, das Bestehende zu entschuldigen suchte. Die alte *) Hardenberg's Tagebuch, 22., 23. Jan. 1820.