Die Opposition im Staatsrathe. 91 werde, ob sich die Steuererhöhung nicht durch Ersparnisse vermeiden lasse. Wie diese Ersparnisse möglich werden sollten, das wußte er freilich nicht einmal anzudeuten. Die ungewohnte Lebhaftigkeit des sanftmüthigen Theo— logen bewies genugsam, daß seine Pfeile sich nicht gegen die Steuergesetze, sondern gegen den Staatskanzler selber richteten. Eine verständige Ent— gegnung des Finanzministers verfehlte ihren Zweck, da Klewitz im Eifer der Rede die ganz unhaltbare Behauptung aufstellte, das Budget sei jetzt nicht höher als im Jahre 1803.5) Der ängstliche Altenstein, der den Vorsitz führte, wußte sich endlich nur dadurch zu helfen, daß er den An- trag Ancillon's als unzulässig zurückwies. Gegen diese Erklärung ließ sich rechtlich nichts einpenden; denn der Etat war nach dem alten Staats- rechte kein Gesetz, sondern ein Voranschlag der Finanzverwaltung, und der Staatsrath mithin nicht befugt, dessen Abänderung zu beantragen. Aber welch eine widerwärtige Zumuthung an seine Mitglieder, daß sie den Etat als eine gegebene Größe hinnehmen sollten, während doch mehrere von ihnen hofften, nach Verminderung des Budgets könne die Erhöhung der Abgaben vielleicht überflüssig werden. Die Versammlung vermochte ihren Unmuth nicht zu verhehlen; der Antrag Ancillon's ward vor den Sitzungen in erregter Unterhaltung besprochen, und da das Amtsgeheimniß wieder schlecht gewahrt wurde, so erzählten sich bald alle bösen Zungen Berlins, wie jämmerlich die verschwenderische Verwaltung vor dem Richter- stuhle des Staatsraths bestehe. Dem Staatskanzler aber gingen endlich die Augen auf: das also war der treue Freund, den er vor fünf Monaten gegen Humboldt zu Hilfe gerufen hatte! Er glaubte zu wissen, daß Ancillon die Prinzen zu einer Kabale verleite, und sendete am 27. April, mit Genehmigung des Königs*), dem Präsidenten des Staatsraths ein Schreiben, das dem salbungsvollen Gegner die ganze Ueberlegenheit des praktischen Staats- mannes zu fühlen gab. Ironisch wies er auf Ancillon's erbauliche Ge- meinplätze hin: wohl sei es leicht ausgesprochen: „man muß nicht mehr ausgeben als man einnimmt, Geben ist seliger als Nehmen.“ Aber Preu- ßens Schuldenlast rühre her von den großen Unglücksfällen seit 1806 und von dem rühmlichen Kampfe um die Freiheit. Jetzt gelte es den Verpflichtungen des Staates vollständig zu genügen und außer den lau- fenden auch die außerordentlichen Ausgaben, welche die Wiederherstellung der Monarchie erheische, zu decken. Nach dem neuen Abstrich von 5 Mill. sei eine weitere Herabsetzung des Etats unmöglich. „Es liegt in der That ein höchst ungerechter Tadel der Verwaltung darin, wenn man den Satz: „keine Auflagen, ersparen, mit den Einnahmen auskommen!“ im ver- sammelten Staatsrath ohne gründliche Sachkenntniß ausspricht und Be- *) Protocolle des Staatsraths, 20. April; Hardenberg's Tagebuch, 20. April 1820, *“) Hardenberg's Tagebuch, 27. April 1820.