Die neuen Steuergesetze. 93 wie diese Abgabe zu ersetzen sei. Vincke verwahrte dem Staatsrathe das Recht, nicht blos über die Zweckmäßigkeit, sondern auch über die Noth— wendigkeit der neuen Steuern zu berathen. Am klarsten lautete das Votum des jungen Prinzen Wilhelm, der mit militärischer Kürze den wunden Fleck der Entwürfe bezeichnete und seinem königlichen Vater ehr— erbietig anheimstellte, ob nicht „die reicheren Klassen der Nation und die höher besoldeten Beamten zur Erleichterung des ärmeren Volkes mehr anzuziehen“ seien.) Da die große Mehrheit des Staatsraths — 28 Stimmen und dar- unter die ersten Finanzmänner der Monarchie — die Pläne des Staats- kanzlers im Wesentlichen gebilligt hatte, so vollzog der König nunmehr die Gesetze. Auf Ancillon's weitschweifige Phrasen gab er nichts. Nur um seine Prinzen über „die wahre Lage der Sache“ aufzuklären befahl er, daß eine neue Commission mit den Mitgliedern der Minderheit den Etat Posten für Posten noch einmal durchgehen solle. Das Ergebniß war, wie Hardenberg dem Kronprinzen vorausgesagt: die Zweifelnden mußten zugeben, nicht nur, daß jede weitere Ermäßigung der Ausgaben vorderhand unmöglich war, sondern auch daß mehrere der bereits angeordneten Er- sparnisse erst nach Verlauf längerer Zeit in Wirksamkeit treten konnten.) Darüber vergingen wieder zwei Monate, und die bereits am 30. Mai unterzeichneten Gesetze konnten erst am 7. August veröffentlicht werden. Wie schwer auch die Staatseinnahmen unter diesem Aufschub litten, der Staatskanzler durfte sich doch eines wichtigen Erfolges rühmen: er hatte die königlichen Prinzen von der Nothwendigkeit der Reform überzeugt, Ancillon und dessen reaktionären Anhang vorläufig zum Schweigen ge- bracht. — Unter solchen Zweifeln und Gewissensbedenken entschloß sich diese absolute Krone, deren Härte in der liberalen Welt verrufen war, zu einer Steuererhöhung von 5 Millionen Thlr. Das Gesetz vom 30. Mai über die Einrichtung des Abgabenwesens stellte die Grundlagen des Steuer- systems auf ein Menschenalter hinaus fest. Außer den Zöllen von 1818 und den im folgenden Jahre eingeführten Abgaben von Branntwein, Malz, Wein, Tabak sollten fortan erhoben werden: die Salzsteuer, die soeben an jenem fruchtbaren 17. Januar durch Gleichstellung des Salzpreises neu geregelt worden war, sodann die Grundsteuer, die Klassensteuer, die Mahl- und Schlachtsteuer, endlich zur Aushilfe die Gewerbesteuer und eine später- hin noch zu ordnende Stempelgebühr. Was von alten Octrois, Verbrauchs- abgaben, Personen= und Gewerbesteuern in den einzelnen Landestheilen *) Votum Wittgenstein's, 7. Mai 1820. Einige der anderen Vota bei Dieterici a. a. O. S. 432f. *) Cabinetsordres an Altenstein, 30. Mai, an Hardenberg, 12. Juni; Hardenberg an den Kronprinzen, 8. Juni, Bericht an den König, 12. Juni 1820.