Gemeinheitstheilung. 107 Zank. Die Staatsgewalt aber schritt unbekümmert vorwärts, und bis zum Jahre 1848 wurden noch fast 43 Mill. Morgen Gemeindeland auf- getheilt oder von Servituten befreit. Fast überall schämten sich die Bauern ihres Widerstandes, sobald das Werk gelungen war, und die verhaßten Generalcommissionen gelangten nach und nach zu hohem Ansehen. Das Landvolk begann einzusehen, daß die Gemeinheitstheilung ein unentbehr- liches Glied war in der langen Kette jener Reformen, welche den frohnenden Scharwerker zum freien Eigenthümer erheben sollten. Mit den Gemein- heiten fiel auch der Flurzwang. Nun erst ward auf den Dorffluren ein leidliches Bewässerungs= und Wegenetz möglich, dessen gerade Linien allerdings die Schönheit der Landschaft oft beeinträchtigten. Nun erst konnte der Bauer die altväterische Dreifelderwirthschaft aufgeben und auf seinem abgerundeten Gute einen intensiveren Anbau versuchen. Er war jetzt seines Besitzthums völlig Herr und durfte bei Fleiß und gutem Glück auf steigenden Wohlstand zählen. Im Mißgeschick bekam er freilich die Härten des Systems der freien Concurrenz schwer zu fühlen; dann fehlte ihm der Nothpfennig der Gemeindenutzung, und da die landwirthschaftlichen Creditinstitute nur den großen Grundbesitzern zu gute kamen, so lief er leicht Gefahr von den benachbarten Grundherren ausgekauft zu werden. Die Gemeinheitstheilung verstopfte einen Quell ewigen Haders zwischen den Grundherren und den Bauerschaften, wie andererseits die meisten der Grenzstreitigkeiten, welche die proceßlustigen Bauern unter einander ver- feindet hatten, durch Zusammenlegung der Güter beseitigt wurden. Sie wirkte auf das Communalleben des flachen Landes in ähnlicher Weise wie einst die Aufhebung der Zunft= und Bannrechte auf die Städte. Der Gemeinheiten entledigt konnte das Dorf nunmehr in Wahrheit zu einer politischen Gemeinde werden. Auf diesen großen Umschwung der ländlichen Verhältnisse hatte die Commission ihre Entwürfe berechnet. Es war ihr ganzer Ernst mit dem Fundamentalsatze des Hardenbergischen Verfassungsplanes: „wir haben lauter freie Eigenthümer.“ Und ohne den redlichen Eifer für das gemeine Recht konnte die Reform allerdings nicht gelingen. Aber auch Schonung für das historisch Gegebene, für die unendliche Mannigfaltigkeit des communalen Lebens war unentbehrlich, und von solchem Verständniß besaß das liberale Beamtenthum, das die Mehrheit der Commission bildete, nur wenig. Friese vornehmlich war sehr geneigt den berechtigten Gedanken der Staatseinheit auf die Spitze zu treiben; hatte er doch vor neun Jahren geradezu die Aufhebung der Provinzen befürwortet, weil der Pro- vinzialgeist die Staatsgesinnung ertödte. Gleich zu Beginn der Berathung ward die unabweisbare Frage aufgeworfen, ob eine Communalordnung für den ganzen Staat, wie Hardenberg sie verlangt hatte, überhaupt möglich sei. Vincke erklärte nach seiner Kenntniß von Land und Leuten, daß der Westen seiner Bürgermeistereien und Aemter nicht entbehren