108 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. könne.“) Historischer Sinn und bureaukratische Schablone geriethen hart an einander. Die Mehrheit aber half sich über alle Bedenken hinweg mit dem doktrinären, selbst theoretisch anfechtbaren Satze: die Gemeinde sei der Mikrokosmus des Staates und könne darum wie dieser nur eine gleich— mäßige Verfassung erhalten. Ebenso doktrinär war die weitere Behauptung, daß der Unterschied der Bildung zwischen den einzelnen Provinzen gar nicht so groß sei — als ob die Gemeindeverfassung durch die Bildung und nicht vielmehr durch die wirthschaftlichen Machtverhältnisse bedingt würde. Darum beschloß die Mehrheit, eine einzige Landgemeindeordnung für den ganzen Staat auszuarbeiten, obgleich sie selber eingestehen mußte, daß dies allgemeine Gesetz unvollständig sei und der Ergänzungen durch Provinzialgesetze bedürfe. Durch diesen schweren Mißgriff ward die Grund— lage des Hardenbergischen Verfassungsplanes unrettbar verdorben, außer dem Kastengeiste der Privilegirten auch der berechtigte Particularismus der Provinzen zu erbittertem Kampfe herausgefordert. — Im Einzelnen enthielten die Entwürfe, wie von so tüchtigen Beamten zu erwarten war, manchen trefflichen Gedanken. Die Commission erkannte den im deutschen Leben so tief begründeten Gegensatz von Stadt und Land als eine gegebene Thatsache an, sie wollte dem Bauern Alles was ihn angehe in einem Gesetze handlich beisammen bieten und verwarf daher den Vorschlag, Dorf und Stadt nach französischer Weise in einen Rahmen zu zwängen, obgleich mehrere Regierungen der westlichen Provinzen sich lebhaft dafür verwendet hatten. Der Entwurf der Landgemeindeordnung nahm den Fortbestand der vorhandenen Einzelgemeinden als Regel an, gestattete jedoch benachbarten kleinen Ortschaften sich durch freie Ueberein— kunft zu einer größeren Gemeinde zusammenzuthun und sprach die naive Erwartung aus, diese Erlaubniß werde häufig benutzt werden, sobald nur erst „die allgemeine Repräsentation des Staates“ den Gemeingeist geweckt habe. Vor dem Frühlingshauche des constitutionellen Staatslebens sollte also das dicke Eis des bäuerlichen Particularismus von selbst zerschmelzen! Die rheinischen Bürgermeistereien fielen damit hinweg; indeß ward den Regierungen gestattet für die besonderen Zwecke des Wegebaues, des Schul- wesens, der Armenpflege u. s. w. Sammtgemeinden zu bilden und hierzu auch die Bürgermeistereien zu benutzen. In jeder Gemeinde ein frei— gewählter, vom Landrathe bestätigter Schulze mit Schöppen und eine Gemeindeversammlung, die aus allen Gemeindebürgern, in größeren Ort— schaften aus Repräsentanten bestehen soll; das Gemeindebürgerrecht sehr weit ausgedehnt, so daß es der Regel nach keinem selbständigen Hausvater, wenn er nicht Knecht oder Tagelöhner ist, versagt werden darf. Behutsamer lauteten die Vorschläge über die Grundherrschaft. Die Commission wagte nicht, die Aufhebung der gutsherrlichen Polizei grades— *) Vincke, Separatvotum zur Landgemeindeordnung (Beilage zu den Entwürfen).