so radicalen Absichten war die Mehrheit allerdings weit entfernt; sie gab vielmehr zu, daß die kurze Amtsdauer der städtischen Aemter viele tüchtige Kräfte von der Communalverwaltung fern halte, die städtischen Beamten allzusehr der Volksgunst unterwerfe, und beantragte daher lebenslängliche Anstellung der besoldeten Stadträthe. Unter allen Sätzen der Städteordnung ward keiner so leidenschaftlich angefeindet wie die Eintheilung der Städte in Ortsbezirke. Die modische Vorliebe für deutschrechtliche Stände und Corporationen wollte in dieser Vorschrift nichts als mechanische Willkür sehen. Ancillon hatte schon 1819 in seiner Verfassungsdenkschrift bitter getadelt, daß die Städteordnung „alle Bürger ohne Unterschied in eine Kategorie werfe“. Aber auch Humboldt, J. G. Hoffmann und sogar die Liberalen Dahlmann und F. v. Raumer wünschten, die alten Corporationen der Gewerbsgenossen in freieren Formen wieder zu beleben und diesen das städtische Wahlrecht anzuvertrauen. Die Lehre Niebuhr's: „ohne Einungen und Corporationen kann keine städtische Wahl und keine Bürgerversammlung gedeihen“ ent- sprach den Durchschnittsansichten dieser romantischen Epoche. Stein selber neigte sich zu Zeiten der Meinung Niebuhr's zu, obwohl ihm sein staats- männischer Instinkt sagte, wie schwierig die Ausführung sei. Die Com- mission dagegen hielt die nachbarschaftlichen Stadtbezirke des Stein'schen Gesetzes aufrecht; sie wußte, daß die Gemeindeverwaltung die Bürger als Bürger vereinigen, nicht als Gewerbsgenossen trennen soll. In der That hatte sich die Städteordnung gerade in den großen Städten, wo die Nach- barschaft so wenig bedeutet, am besten bewährt; und auch späterhin ist jeder Versuch, die Communal-Verfassung auf gewerbliche Corporationen zu stützen, an der bunten Mannigfaltigkeit des modernen städtischen Gewerbslebens regelmäßig zu Schanden geworden. — Aus allen diesen Vorschlägen sprach ein lebendiges Verständniß für deutsche Selbstverwaltung. In auffälligem Gegensatze dazu stand der bureaukratische Geist des Kreisordnungs-Entwurfes, der lebhaft an das unselige Gensdarmerie-Edikt erinnerte. Als nach dem Jahre 1807 die Reform der Kreisordnung zuerst erwogen wurde, da begegneten sich Stein, Vincke, Schrötter und Friese selbst in der Einsicht, daß die Kreis- eingesessenen bei der Verwaltung des Kreises selber Hand anlegen müßten. Sie Alle wollten den Kreis in kleinere Bezirke gliedern, da ein Gebiet von durchschnittlich 35,000 Einwohnern für die Wirksamkeit von Selbst- verwaltungsbeamten offenbar zu groß war, und in diesen Bezirken einen Theil der Verwaltungsgeschäfte an Kreiseingesessene übertragen. Dieser fruchtbare Gedanke, der allein weiter führen konnte, wurde jetzt leider auf- gegeben. Wie wunderbar nachhaltig ist doch die Wirksamkeit des Genius. Dem Städtewesen hatte Stein's gewaltiger Wille den Grundsatz „Selbst- verwaltung ist Selbsthandeln“ so unvertilgbar eingeprägt, daß keiner seiner Nachfolger daran noch viel ändern konnte. Die Kreisverwaltung