Vorladung König Ferdinand's. 167 zu räumen. Indem sie also die großen Mächte tödlich reizte, drückte sie ihnen zugleich eine furchtbare Waffe in die Hand: sie erlaubte dem Könige, der ohne ihre Genehmigung das Land nicht verlassen durfte, nach Laibach zu reisen, nur sollte er zuvor die schon zweimal beschworene Ver— fassung zum dritten Male eidlich bekräftigen. So stand dies Herrscher— haus zu seinem Volke! Bereitwillig kam König Ferdinand der schimpf— lichen Zumuthung nach, und die Redner des Parlaments stellten sich an, als ob sie ihm glaubten; sie wähnten durch ihre zur Schau getragene Sicherheit die großen Mächte abzuschrecken. Die österreichischen Staats- männer aber ahnten, daß diese Ueberschlauheit, die den Südländern so oft verderblich wird, an der eisernen Stirn des Bourbonen ihren Meister finden sollte; sie wußten, wie dieser dreifach Meineidige in Laibach reden würde, und sahen ihr Spiel schon halb gewonnen. Minder glücklich fuhr Metternich mit seinen Vorschlägen für den europäischen Garantie-Vertrag. In einer langen Denkschrift vom 28. Nov. führte er zunächst seine vierte Metapher, die große Wasserfluth, vor und zeigte die Nothwendigkeit, „um jeden Preis wirksame Dämme zu errichten gegen diesen revolutionären Strom, der, wenn er nicht in seinen Ueberfluthungen aufgehalten wird, schließlich Alles zu verschlingen droht.“ Darum muß die legitime Souveränität durch einen allgemeinen Vertrag unter die Bürg- schaft der europäischen Mächte gestellt werden, so zwar, daß jede durch eine angemaßte Gewalt bewirkte Revolution die Mächte ohne Weiteres zum Einschreiten berechtigt; wird der Umsturz hingegen durch den legi- timen Souverän selber vollzogen, dann dürfen die Mächte nur einschreiten falls er die Nachbarstaaten gefährdet.) Die Arbeit führte im Grunde nur schärfer aus, was in dem Protocoll vom 19. Nov. schon vorläufig angedeutet war. Der Czar aber war inzwischen über die Folgen seiner eigenen Vorschläge besorgt geworden; er konnte sich nicht verhehlen, daß weder die Westmächte noch selbst die constitutionellen Kleinstaaten Deutsch- lands einen Vertrag unterzeichnen durften, der ihre Verfassungen der oberst- richterlichen Gewalt europäischer Congresse förmlich unterworfen hätte. Alexander zeigte sich so bedenklich, daß Metternich für nöthig hielt, sein schweres Geschütz aufzufahren. Im tiefsten Vertrauen überreichte er dem Czaren, mit Genehmigung des Kaisers Franz, sein „politisches Glaubens- bekenntniß", eine weitschweifige geschichtsphilosophische Betrachtung über das Zeitalter der Revolution. Wie geistvoll und gerecht schilderte um dieselbe Zeit General Clausewitz, auch ein conservativer Gegner der Revolution, in seiner classischen Abhandlung über die politischen Umtriebe alle die gewaltigen Wandlungen des wirthschaftlichen und des geistigen Lebens, welche den Schwerpunkt der bürgerlichen Gesellschaft allmählich *) Oesterreichische Denkschrift Sur duelques mesures générales etc., 28. Nov. 1820. Viele dieser Troppauer und Laibacher Aktenstücke sind schon von Gervinus (Gesch. des neunzehnten Jahrh. VII. 783 f.) benutzt.