210 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes. Partei der neuen Machtmittel, welche ihr die revolutionäre Gesetzgebung darbot. Die Vereine und die Zeitungen, beide hundertmal von der Curie verflucht, wurden bald zu furchtbaren Waffen in der Hand der ultra— montanen Propaganda. In dem bigotten dreizehnten Jahrhundert hatte Rom die Bettelorden gegründet um die Massen an sich zu ketten; jetzt, in dem verweltlichten Zeitalter der Revolutionen erstand die neue Größe der ultramontanen Presse und erfüllte die Pflichten des kirchlichen Demagogen- thums mit der gleichen Rührigkeit und dem gleichen Erfolg. Der erste Anstoß kam aus Frankreich. In Paris bestanden, mittelbar oder unmittel- bar durch die Jesuiten geleitet, drei große clericale Gesellschaften, die im Volksmunde mit dem Gesammtnamen der Congregation bezeichnet wurden. Aus diesen Kreisen empfing die Presse der Ultras ihre Weisungen, und zu den royalistischen Clericalen gesellte sich jetzt ein rein kirchlicher Publicist, der in der Politik seines eigenen Weges ging, aber die kirchlichen Forderungen der Congregation fast noch überbot, der Bretone Lamennais. Ein glänzender Redner, ganz durchglüht von dem katholischen Glaubens- eifer seiner keltischen Heimath, verlangte er in seiner Schrift über die religiöse Gleichgiltigkeit kurzerhand die Unterwerfung der Fürsten unter den Papst, denn nur in der unfehlbaren Kirche offenbare sich die göttliche Vernunft gegenüber dem Wahnsinn der individuellen Vernunft, und nur dann gebühre der weltlichen Gewalt Gehorsam, wenn sie sich dem göttlichen Gesetze unterordne. Da und dort tauchten auch bereits einzelne liberale Ultramontane auf, da die römische Kirche in allen weltlich-politischen Fragen grundsätzlich grundsatzlos verfährt, und der ritterliche junge Graf Montalembert wählte sich schon damals den Wahlspruch für sein Leben: Dieu et liberté. In Deutschland wurde Mainz die Heimath der clericalen Presse. Dort ließen zwei junge Geistliche, Weiß und Räß, der spätere Straßburger Bischof, seit 1820 die Zeitschrift „der Katholik“ erscheinen, ein gut ge- schriebenes Blatt, das den Kampf wider den souveränen Staat und den Protestantismus mit wachsender Aufrichtigkeit führte. Eine ganze Schule streitbarer Theologen verdiente sich in diesen Spalten die Sporen, Alle überragend der junge Johannes Geißel. Auch Görres wirkte mit und Christian Brentano, der Bruder des Dichters, ein frommes Gemüth, das freilich die fliegende Hitze des Brentano-Blutes nicht verleugnen konnte. Görres verfocht jetzt die Ansicht, daß der Staat in der Kirche stehe, als dienendes Organ ihrer höheren Zwecke; er hatte sich bereits so tief in den kirchlichen Haß verbissen, daß er nach seiner phantastischen Art das heliocentrische katholische System dem geocentrischen System des dem Erd- geist verwandten Protestantismus entgegenstellte. Vom Erdgeist zum Satan war der Weg nicht mehr weit. Dem Staate gegenüber benutzte die Partei zwei neue Schlagworte: Duldung und Kirchenfreiheit. Beide Gedanken waren erst auf dem