Die Erklärung von Tegernsee. 221 endlich am 15. Sept. 1821 die mit der Curie Wort für Wort vereinbarte Tegernseer Erklärung. Er genehmigte darin die Errichtung der neuen Bisthümer und fügte die zweifache Versicherung hinzu: der Verfassungseid beziehe sich, nach den Bestimmungen der Verfassung selbst, lediglich auf die bürgerliche Ordnung und verpflichte die Unterthanen zu nichts, was den Gesetzen Gottes oder der katholischen Kirche widerstreiten könne; so- dann: das Concordat sei Staatsgesetz und solle von den Behörden in allen Fällen befolgt werden. Nunmehr konnte der Nuntius die Circumseriptionsbulle Dei ac Domini, die seit ihrer Unterzeichnung am 1. April 1818 geruht hatte, in der Münchener Frauenkirche unter feierlichem Gepränge verkündigen. Er stellte sich an, als ob er einen großen Sieg errungen hätte; den aus- wärtigen Diplomaten fiel es auf, wie zuversichtlich er fortan redete.) In Wahrheit war die Curie der Klugheit Zentner's und seiner Freunde unterlegen; sie hatte ausdrücklich zugestanden, daß die Verfassung den Satzungen der Kirche nicht widerspreche, und sie hatte das Concordat abermals als ein Staatsgesetz anerkannt. Ganz unzweideutig war die Tegernseer Erklärung freilich nicht. Auch an ihr, wie an allen Verein- barungen zwischen dem modernen Staate und dem römischen Stuhle, sollte sich dereinst noch das Jesuitensprüchlein bewähren: überall lauert eine Schlange im Grase. Indeß konnte der bairische Staat einem Streite mit dem Papstthum gleichmüthig entgegensehen; er hatte vor Preußen zwei große Vortheile voraus: einen rechtgläubigen König, dem die Curie wie das katholische Volk Vieles nachsehen mußte, und ein Beamtenthum, das in katholischer Luft aufgewachsen, mit dem Clerus umzugehen verstand. Seine Krone ernannte alle Bischöfe, bestätigte alle Pfarrer und übte ihre Kirchenhoheit mit solcher Strenge, daß selbst Fastenpatente oder Breven über die Domherrentalare nicht ohne königliches Placet erscheinen und kein Priester öffentliche Kirchenbußen verhängen durfte. Nach einer selbstver- schuldeten Demüthigung hatte sich die Staatsgewalt wieder kräftig auf- gerafft, und ein volles Jahrzehnt hindurch blieb der Friede zwischen Staat und Kirche fast ungestört. Minder glücklich verliefen die Verhandlungen der oberrheinischen Staaten. Seit dem März 1818 tagten unter Wangenheim's Leitung die Frankfurter Conferenzen, und die liberale Presse, welche der Vorsitzende stets auf dem Laufenden hielt, erwartete von diesen Berathungen des reinen Deutschlands die Magna Charta deutscher Kirchenfreiheit, die Be- gründung des „geläuterten Kirchenrechts“". Minder wohlwollend betrachtete der Vatican diese Staaten des Südwestens, denn gerade hier war die katholische Kirche wohl berechtigt, über bureankratischen Druck zu klagen. In den kurmainzischen Bezirken Hessen-Darmstadts hatte der protestan- *) Zastrow's Bericht, 31. Dec. 1821.