Verhandlungen der oberrheinischen Staaten. 223 Anspruch nahm — das Placet, die Ernennung der Bischöfe und viele andere sehr weit gefaßte Befugnisse der Kirchenhoheit — in einer Decla— ration zusammen und schickte eine gemeinsame Gesandtschaft nach Rom um über die Ansprüche nicht mit dem heiligen Stuhle zu verhandeln, sondern nur seine Meinung zu vernehmen. Man gab sich, der harmlosen Hoffnung hin, der Papst werde nicht widersprechen; wagte er es dennoch, so waren die verbündeten Staaten entschlossen, auf eigene Faust, mit Hilfe ihrer noch vorhandenen Bisthumsverweser die neuen Diöcesen ein— zurichten. Und doch zählte die Errichtung neuer Bisthümer zu den alten unbestrittenen Rechten des päpstlichen Primats, welche kein Prälat jemals antasten konnte. Die liberalen Zeitungen des Südwestens feierten schon im Voraus den Triumph der aufgeklärten Staaten über den römischen Stuhl, und einer der Leiter der Conferenz, Koch, schrieb hoffnungsvoll: so werde denn endlich eine Kirchenverfassung entstehen, „die mit den Staats- constitutionen und den Wünschen und Bedürfnissen der Zeit, welche aus dem Zwielichte der Morgendämmerung in das helle Tageslicht hinein- scheint, übereinstimmt"; von einer Herabminderung der bescheidenen An- sprüche der Staatsgewalt könne natürlich gar nicht die Rede sein.) Im März 1819 traf die Gesandtschaft in Rom ein; sie bestand aus dem Staatsrath v. Schmitz-Grollenburg, einem ehemaligen Domherrn, der sich nachher im württembergischen Staatsdienste als strenger Josephiner gezeigt, und dem Freiherrn v. Türckheim, dem Vater des conservativen badischen Kammerredners. Beim Empfange beugte der Protestant Türck- heim die Kniee vor dem Papste, während der Katholik Schmitz, um die Souveränität seines Königs zu wahren, aufrecht stehen blieb. Der Erfolg war, wie Niebuhr den Gesandten voraussagte. Selbst der sanft- müthige Pius VII. fühlte sich beleidigt, als diese fünf kleinen Höfe ihre Verhandlungen sogleich mit der Ueberreichung eines Ultimatums eröff- neten; sein Staatssecretär fragte, ob man den Papst für einen Türken halte, und sprach offen aus, nicht die protestantischen Höfe seien feind- lich gesinnt, sondern ihre katholischen Rathgeber. Am 10. August ant- wortete Consalvi mit einer langen Esposizione, welche noch einmal bündig bewies, daß der moderne Staat, wenn er sich über den Umfang seiner Hoheitsrechte mit der Curie verständigen will, entweder nichts ausrichtet oder seine Souveränität aufgeben muß. Die Denkschrift enthielt, in etwas milderer Fassung, dieselben Grundsätze schrankenloser Kirchenherrschaft, welche Consalvi bereits dem hannöverschen Hofe entgegengehalten hatte. Trotz dieser schroffen Abweisung verbrachten die Gesandten noch einige Zeit in Rom mit unfruchtbaren Verhandlungen. Einen Ausweg ließ ihnen der Papst noch offen; er erklärte sich bereit, die Diöcesen der neuen oberrheinischen Kirchenprovinz festzusetzen. *) Koch an Berstett, 15. Febr. 1819.