Die oberrheinische Kirchenprovinz. 225 Wurde die erzbischöfliche Würde auf dieses Hochstift übertragen, so standen neue peinliche Zerwürfnisse mit dem römischen Stuhle bevor, und zu sol— chen Händeln verspürte der Karlsruher Hof keine Neigung mehr. Der neue Großherzog Ludwig hatte sich schon vor Jahren, als er noch in Salem am Bodensee sein leichtfertiges Junggesellenleben führte, über die frei— müthigen Ermahnungen des sittenstrengen Constanzer Prälaten geärgert und beargwöhnte Wessenberg als einen gefährlichen Liberalen. Die veränderte Stimmung des badischen Cabinets bekundete sich schon darin, daß der Bundesgesandte Blittersdorff in die Frankfurter Conferenzen eintrat, allerdings kein unbedingter Gegner Wessenberg's, aber ein Hoch— conservativer, der um jeden Preis den Frieden mit der Curie herstellen wollte. Er warf zuerst die Frage auf, ob man nicht den Constanzer Capitelsvicar zur freiwilligen Abdankung bewegen oder vielleicht gar das Bisthum selber aufheben könne; dann wurde die bestrittene Constanzer Wahl von selbst nichtig, und der Stein des Anstoßes fiel dahin.“) So sollte denn abermals ein ehrwürdiges historisches Band zerrissen und dies uralte Hoch— stift, weiland das größte des heiligen Reichs, vernichtet werden. Doch in diesem badischen Lande, wo Alles neu war, konnte auch ein modernes Bis— thum wenig Befremden erregen; der Vorschlag räumte eine augenblickliche Verlegenheit aus dem Wege, und das bequemer gelegene Freiburg mit seinem herrlichen Münster bot dem erzbischöflichen Stuhle eine würdige Heimstätte. Die fünf Höfe einigten sich also über den Plan einer Erz- diöcese Freiburg mit vier Suffraganbisthümern Rottenburg, Mainz, Fulda, Limburg und sendeten diese Vorschläge der Curie. In Rom führte unter- dessen der württembergische Gesandte Kölle die gemeinsamen Geschäfte — einer jener literarischen Dilettanten, wie sie in dem beschäftigten Müßig- gange des kleinstaatlichen Diplomatenlebens gedeihen, allbekannt als Kunst- sammler und unerschöpflicher Geschichtenerzähler; der Allgemeinen Zeitung pflegte er mit der Miene des Tiefeingeweihten politische Artikel zu senden, die allesammt gewandt geschrieben, auch nicht ohne Geist, doch schlechter- dings nichts Neues sagten. Als Freimaurer und Josephiner war er in Rom nicht an der rechten Stelle. Consalvi ließ sich wenig mit ihm ein, und während die fünf Höfe noch auf eine Erwiderung des Papstes warteten, wurden sie plötzlich durch die Uebersendung der Circumseriptionsbulle selber überrascht. Diese Bulle Provida sollersque vom 16. Aug. 1821 bestimmte die Eintheilung der oberrheinischen Kirchenprovinz im Wesentlichen nach den Vorschlägen der Regierungen, aber sie enthielt auch eine gefährliche Vorschrift, welche Nie- buhr bei seiner Unterhandlung sorgsam vermieden hatte: der Papst unter- warf nicht bloß die katholischen Unterthanen, sondern das gesammte Staatsgebiet der fünf Souveräne der geistlichen Gewalt der neuen 7) Blittersdorff's Bericht, 28. Dec. 1820. v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 15