Ständische Gliederung. 243 einem besonderen Interesse gefährdet glaube. Auf Schönberg's Antrag wurde diese gefährliche Befugniß abgeschwächt zu einem einfachen Beschwerde— recht für den bedrohten Landestheil. Die „Communalverfassungen“ der einzelnen Territorien hingegen sollten bis auf Weiteres unverändert fort— dauern. Doch nur in der Alt-, Kur- und Neumark, in den beiden Pommern und den beiden Lausitzen sind die alten Landtage als Communallandtage wieder aufgelebt. In allen anderen Provinzen verschwanden die Trümmer altständischen Sonderlebens spurlos vor den neuen Provinzialständen, die Todten begruben ihre Todten. Der Markaner trat mit dem Paderborner, der Magdeburger mit dem Thüringer willig zur politischen Arbeit zu— sammen. Wer hellen Blicks verfolgte, wie rasch der Gegensatz der Land— schaften innerhalb der Provinzen sich ausglich, der mußte erkennen, daß dies Volk fähig war, den vollen Segen des Einheitsstaates zu ertragen. Ebenso unmöglich wie die Wiederherstellung der historischen Terri— torien war die einfache Erneuerung der alten ständischen Gliederung. Die Provinzialstände wurden, so sagte das Gesetz, „im Geiste der älteren deutschen Verfassungen“ errichtet, sie waren das „gesetzmäßige Organ der verschiedenen Stände Unserer getreuen Unterthanen“. Oftmals hat in späteren Tagen König Friedrich Wilhelm IV. ihnen eingeschärft, sie seien „deutsche Stände im altherkömmlichen Wortsinne, d. h. vor Allem und wesentlich Wahrer der eigenen Rechte, der Rechte der Stände, sie sollten ihren Beruf nicht dahin deuten, als seien sie Volksrepräsentanten.“ Das Gesetz hielt streng darauf, daß jeder Gewählte wirklich seinem Stande und seinem Wahlbezirke angehörte, gab den Ständen sogar das heillose Recht der itio in partes. Gleichwohl waren die Provinzialstände nichts anderes als eine einseitig verbildete moderne Interessenvertretung. Da die alten ständischen Corporationen überall vernichtet waren, so konnte man auch die Erwählten nicht an die Aufträge ihres „Standes“ binden; die Abgeordneten stimmten, wie Volksvertreter, nach persönlicher Ueberzeugung. Die geringe Kopfzahl der Landtage verhinderte auch die von Stein geforderte Errichtung ständischer Curien; jeder Provinziallandtag berathschlagte in Einer Ver— sammlung und faßte giltige Beschlüsse mit einfacher oder Zweidrittel— mehrheit aller Stimmen. Und wie war doch in den meisten Provinzen, zur Verzweiflung der antiquarischen Idealisten, selbst die Erinnerung an die alten ständischen Unterschiede gänzlich verschwunden! Wer hätte auch nur daran denken mögen, den Clerus, der doch die Landtage der rheinischen Krummstabslande allein beherrscht hatte, wieder zum ersten Stande zu erheben? Da andererseits die ländliche Selbstverwaltung noch nicht durch- geführt war, mithin die Grundlage für ein billig abgestuftes Wahlsystem noch fehlte, so wurde die Commission von selbst zu den drei Ständen der Hardenberg'schen Entwürfe zurückgeführt zu einer ständischen Gliede- rung, die nach der Lage der Dinge unvermeidlich, doch ganz gewiß nicht historisch war. 16“