Canning. 265 folgt hatte, meinte er kurzab, das sei der größte Lügner und Schuft des Continents, und legte fortan alle die salbungsvollen politischen Sitten— predigten der Hofburg mit einem trockenen Witze bei Seite. Er wußte wohl, daß Englands kleines Heer kaum wagen durfte den Franzosen in Spanien mit dem Schwerte zu begegnen. Dafür hielt er eine andere Waffe bereit, um die Nachbarn, falls sie den Einmarsch wagten, empfindlich zu züchtigen: wenn England die thatsächlich schon halb vollzogene An- erkennung der Unabhängigkeit Südamerikas zuerst förmlich aussprach, dann wurden die Interessen Frankreichs und Spaniens schwer geschädigt, die britische Flagge gewann die Vorhand auf dem neu erschlossenen Markte und konnte sich vielleicht dort im Westen ein anderes größeres Portugal, ein unermeßliches Gebiet handelspolitischer Ausbeutung sichern. Ebenso gut englisch war Canning's Urtheil über die orientalischen Wirren. Er hatte sich schon als Student durch seine reiche classische Bildung hervorgethan und vor Jahren sogar philhellenische Gedichte geschrieben, wie er auch jetzt noch den griechischen Rebellen seine mensch- liche Theilnahme nicht versagte. Darum war er doch keineswegs gewillt, die drückende Gewaltherrschaft, welche sein England gegen die Hellenen der ionischen Inseln ausübte, irgend zu mildern. Den Bestand des Türkenreichs hielt er, gleich der ungeheuren Mehrzahl seiner Landsleute, für eine europäische — das will sagen, eine englische — Nothwendigkeit, weil die wirthschaftliche Hilflosigkeit der schlummernden Balkanvölker dem britischen Kaufmann einen so bequemen Markt bot. Um diesen treuesten Bundesgenossen Alt--Englands nicht zu schwächen, wollte er den Griechen niemals mehr als die Rechte eines halbselbständigen Vasallenstaates, wie sie Serbien bereits besaß, einräumen. Ungleich wichtiger als die Zukunft der Hellenen war ihm der Kampf gegen Rußlands orientalische Politik. In dem Mißtrauen gegen den Petersburger Hof stimmte er ganz mit Londonderry und den Hochtorys überein, nur wollte er die russischen Pläne durch Thaten, nicht bloß, wie Metternich, durch Hinhalten und Zuwarten bekämpfen. Wohl war es ein Segen, daß endlich wieder der grelle Lichtstrahl einer kräftigen nationalen Politik in die Nebelwelt der europäischen Reaktion hereinbrach. Und Canning schritt mit der Geschichte, er erkannte doch einige der jugendlichen Kräfte, die sich im Völkerleben emporrangen, in ihrer Berechtigung an; die Gedanken seiner britischen Machtpolitik be- rührten sich, wenn auch nur zufällig, mit manchen Herzenswünschen der Liberalen des Festlands. Meisterhaft verstand er diesen Vortheil zu benutzen. Wie einst die beiden Pitt das große Wort vom europäischen Gleich- gewicht verwendet hatten um die Interessenpolitik der englischen See- herrschaft rednerisch zu umhüllen, so gebrauchte jetzt ihr Nachfolger das neue Schlagwort von der Freiheit der Völker, das späterhin als bewährtes Erbstück in den Wörterschatz Lord Palmerston's überging. Entzückt lauschte