Vorbesprechung in Wien. 267 auf dem Congresse zu „tödten“, und da die Truppen des Sultans neuer— dings, seit der Ermordung des gefährlichen Rebellen Ali Pascha, fast überall glücklich fochten, so gab sich der Areopag des christlichen Europas wieder einmal, wie so oft schon, der menschenfreundlichen Erwartung hin, die Glaubensgenossen im Osten würden demnächst durch den legitimen Großtürken gänzlich unterworfen werden.) Weit schwieriger erschien die Verständigung über Spaniens Zukunft. Wie oft hatte der Czar seiner russischen Kriegspartei die Behauptung entgegengehalten, daß er aller seiner Streitkräfte bedürfe zur Bekämpfung der Revolution im Westen; mit Leidenschaft verlangte er also den gemein- samen Kreuzzug der großen Allianz gegen Spanien, „das Hauptquartier des Jacobinismus“. Das düstere Mißtrauen, das ihn jetzt ganz beherrschte, stimmte ihn empfänglich für die verzweifelten Hilferufe des Madrider Hofes; er glaubte im Ernst, das Leben König Ferdinand's schwebe in Ge- fahr, obgleich die ungeheure Mehrheit der Spanier, allen Aufwiegelungen der Radicalen zum Trotz, noch mit der alten abgöttischen Verehrung zu der katholischen Majestät aufblickte. Die deutschen Mächte widersprachen lebhaft; denn sie wußten, daß die französische Regierung den Durchmarsch eines Coalitionsheeres unmöglich erlauben konnte, sie wurden in dieser Einsicht bestärkt durch die Mittheilungen Wellington's, der als englischer Bevollmächtigter noch zuletzt in Wien eintraf und unterwegs sich mit Villele besprochen hatte.) Ebenso wenig wollte Metternich die Ein- mischung Frankreichs allein dulden, weil er den Einspruch Englands fürchtete und weil er das französische Heer, cette armée gangrénée, mit Mißtrauen betrachtete. So vereinigten sich denn drei der großen Mächte in dem auf- richtigen Wunsche, das spanische „Fieber“ sich selber zu überlassen. Der Vertreter Frankreichs, Montmorency, rückte in Wien noch nicht mit der Sprache heraus; man fühlte ihm an, wie erbittert die Parteien in Paris mit einander rangen, die Ultras drängten zum Kriege, König Ludwig und sein Villele widerstanden noch immer. Da Alexander den Gedanken einer europäischen Intervention hartnäckig festhielt, so begannen diese spanischen Dinge, ganz wider Erwarten, sehr bedrohlich zu werden. Wellington selbst konnte sich der Besorgniß nicht ganz erwehren. Sein Feldherrnblick reichte nicht über die englischen Interessen hinaus, traf aber innerhalb dieses Kreises meist das Rechte. Er erkannte sogleich die Gefahr, daß der Czar, wenn man seine spanischen Entwürfe gänzlich zurückwiese, vielleicht die orientalischen Pläne der altrussischen Politik wieder aufnehmen würde; denn ohne einen Erfolg durfte Alexander, nachdem er die Hoffnungen seiner Russen so schwer getäuscht, nicht von Verona heimkehren. —— — — — — ——— --— — — *) Berichte von Bernstorff, 9., 14. Sept.; von Hatzfeldt, 5. Sept.; Bernstorff an Ancillon, 8. Sept. 1822. *#) Bernstorff's Bericht, 9. Sept.; Bernstorff an Ancillon, 16. Okt. 1820.