292 III. 5. Die Großmächte und die Trias. In ihrem Eifer für die föderalistische Gleichheit hatten Wangenheim und seine Freunde alle Vorbedingungen militärischer Ordnung und Schlag— fertigkeit absichtlich zerstört. Die beiden Hauptsätze dieser Kriegsverfassung, die Artikel 5 und 8 lauteten: kein Bundesstaat, der ein eigenes Armee- corps stelle, dürfe andere Truppen mit den seinigen verbinden, und selbst der Schein der Suprematie eines Bundesstaates über den anderen solle vermieden werden. Damit war jede Möglichkeit verloren, die haltlosen Contingente der kleinsten Staaten zu einigermaßen brauchbaren Heer- theilen auszubilden. Die Stärke des Bundesheeres, eins vom Hundert der Bevölkerung, reichte gegenüber den Streitkräften Rußlands und Frank- reichs schlechterdings nicht aus und mußte im Verlaufe eines langen Krieges völlig ungenügend werden, weil die Ersatztruppen nicht mehr als ½/8, im äußersten Falle ½ Procent der Bevölkerung betragen durften; das ganze System beruhte auf der Erwartung, daß Preußen freiwillig dreimal mehr als seine Bundesgenossen leisten würde. Der im Kriegsfalle vom Bundesstaate — das will sagen: durch die Mittelstaaten — gewählte Bundesfeldherr entbehrte jeder Selbständigkeit, da ihm Vertreter der ver- schiedenen Kriegsherren zur Wahrung der Interessen ihrer Contingente beigegeben wurden; um ihn vollends zu lähmen, beantragte Württemberg und Baiern sogar, diesmal doch vergeblich, daß er seinen Kriegsplan vorher der Bundesversammlung vorlegen müsse. Dann stritt man, ob außer dem Feldherrn auch sein Generalleutnant und sein Generalquartiermeister dem Bunde vereidigt werden sollten. Wenn der Stoff des Gezänks aus- zugehen drohte, so warf Wangenheim die beliebte Frage auf, ob im vor- liegenden Falle Einstimmigkeit oder einfache Mehrheit erforderlich sei? — dder die noch fruchtbarere: wer eigentlich an der Verschleppung des Geschäfts schuld sei? Wurde diese Saite angeschlagen, dann waren die Streitenden immer einig, dann versicherten alle mit der gleichen Entrüstung: „der Diesseite kann die Verzögerung auf keine Weise zur Last kommen.“ Dazwischen hinein spielte noch der Streit um die Bundesfestungen. Obgleich die Besatzungsverhältnisse von Mainz und Luxemburg längst durch europäische Verträge bestimmt waren, so erhob Wangenheim doch das Be- denken: der Bund habe an jenen Verträgen keinen Theil genommen und brauche mithin die beiden Bundesfestungen auch nicht zu übernehmen; mindestens müsse die Ernennung des Gouverneurs in Friedenszeiten dem Landesherrn der Festungsstadt überlassen werden, da ein „fremder Ober- befehl“ für einen deutschen Souverän allzu lästig sei. So währte denn in Mainz und Luxemburg der bisherige provisorische Zustand noch immer fort, und die Festungswerke verfielen zusehends. Im Jahre 1822 wurde die Bodenaufnahme für die Bundesfestung Rastatt vollendet, zwei Jahre darauf der vollständige Festungsplan an die Militärcommission eingereicht; doch Alles blieb liegen, weil man noch immer nicht wußte, ob Rastatt oder Ulm oder beide Festungen zugleich befestigt werden sollten. Für Landau