300 III. 5. Die Großmächte und die Trias. Auch außerhalb des Bundestages entfaltete der Württemberger eine rastlose Betriebsamkeit. Die Frankfurter Conferenz der Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz tagte noch immer von Zeit zu Zeit unter seiner Leitung, und obwohl die Verhandlungen jetzt nur noch einen sehr unschuldigen Gegenstand, die Einrichtung einer kleinen Erzdiöcese betrafen, so hoffte Wangenheim doch zuversichtlich, aus diesen Conferenzen werde ein neues aufgeklärtes nationales Kirchenrecht, zunächst eine Generalsynode für ganz Deutschland hervorgehen. In überschwänglichen Reden feierte er die Erfolge dieser rein deutschen Höfe, die das „Episcopalsystem in seiner ganzen Fülle und Würde hergestellt“ hätten. „So ist eine Leuchte aufgesteckt worden," rief er entzückt, „welche sich durch die giftigen Dünste, die sich hie und da gespenstisch zu Schattenbildern aufthürmen, schwerlich verdunkeln lassen wird."“ In Wahrheit hatten die oberrheinischen Staaten außer der Fest- stellung ihrer neuen Diöcesangrenzen bisher noch gar nichts erreicht, nicht einmal eine bündige Vorschrift über die Bischofswahlen; und als sie jetzt versuchten ihren künftigen Landesbischöfen eine streng bureaukratische Kirchenpragmatik napoleonischen Stils aufzuerlegen, da begegneten sie dem entschiedenen Widerspruche des Vaticans. Auch die Candidaten, welche sie der Curie, nach Vorschlägen ihrer Landesgeistlichkeit, für die erste Be- setzung der neuen Bischofssitze nannten, mißfielen dem Papste durchweg. Er antwortete durch eine Gegenliste von vierzehn Namen — der junge Näß, der Herausgeber des Mainzer Katholiken war auch mit darunter — aber diese vierzehn heiligen Nothhelfer, wie man sie in Karlsruhe nannte, schienen wieder den Cabinetten unerträglich. In Baden hatten alle Decanate des Landes ihren Bisthumsverweser Wessenberg als den Würdigsten für das erzbischöfliche Amt bezeichnet, die Regierung aber fürchtete sich vor ihm und versuchte umsonst ihn zu freiwilligem Verzicht zu bewegen; Blittersdorff rieth sogar seinem Gönner Berstett, man möge den unbequemen Mann in Wien als einen ultraliberalen verdächtigen, damit er nicht etwa in Rottenburg, wo er ebenfalls im Vorschlage war, zum Bischof ernannt würde.“) Die Einrichtung der neuen Kirchenprovinz gerieth einige Jahre lang ganz ins Stocken. Erst lange nach Wangen- heim's Sturz kamen die Dinge wieder in Fluß, als Berstett (1824), durch Metternich unterstützt, eine geheime Verhandlung in Rom begann. Da endlich, nach langen und peinlichen Unterhandlungen, erließ der Papst am 11. April die Bulle Ad dominici gregis custodiam, zur Ergänzung der Oberrheinischen Circumscriptionsbulle. Sie wurde von den Regie- rungen nur mit Vorbehalt veröffentlicht, weil sie über die Priesterseminare und die bischöfliche Gerichtsbarkeit einige ganz unannehmbare Vorschriften enthielt. Doch mindestens die Frage der Bischofswahlen kam jetzt zum *) Blittersdorff an Berstett, 27. April 1822.