Die Darmstädter Zollconferenzen. 303 der Abgeordnete Köster eine deutsche Nationaltracht aus deutschen Stoffen; schon in der Volksschule müsse den Kindern der patriotische Abscheu vor ausländischen Waaren eingeflößt werden. Die Mannheimer Kaufleute dagegen hofften vornehmlich auf harte Zölle wider den Frankfurter Handel: der Verein solle anderen Plätzen die Vortheile gewähren, welche die stolze Mainstadt ihren ungebührlich großen Capitalien verdanke; den Rhein— preußen müsse er jede Erleichterung versagen, so lange nicht der preußische Staat dem Vereine beitrete und der Mehrheit sich unterwerfe.“) Leider wurde die allgemeine Unklarheit nur vermehrt durch die Schriften List's und seiner Genossen, die sich allmählich ganz in die Irr- thümer des starren Prohibitivsystems verloren. Miller von Immenstadt forderte in einer für die Darmstädter Conferenzen bestimmten Druckschrift (Juli 1821): Verbot aller auswärtigen Waaren, die wir selbst erzeugen oder durch Surrogate ersetzen können; mit der Schweiz und Piemont, mit Holland, Hannover, den Hansestädten und Holstein müsse man sich zu ver- binden suchen; der König von Dänemark werde als treuer deutscher Bundes- fürst sicherlich geneigt sein, die Schiffe des Vereins mit seinem Danebrog zu decken. Das Alles im Namen deutscher Ehre und mit dem unvermeid- lichen patriotischen Pathos! Den Regierungen wurden die zudringlichen Mahnungen des List'schen Vereins, der sich auch in Darmstadt wieder durch Sendboten vertreten ließ, bald sehr unbequem. Der badische Be- vollmächtigte Nebenius verbot seinem Secretär, mit List zu verkehren, sagte dem Agitator ins Gesicht, seine Anwesenheit sei überflüssig, errege schlimme Gerüchte. List blieb ohne jeden Einfluß auf den Verlauf der Berathungen, und Berstett hielt für nöthig, seinem Gönner Metternich von vornherein zu betheuern: nur das Gebot der Selbsterhaltung, „nicht die einseitigen, trügerischen, von einer kleinen Schaar eigensüchtiger Fabrikanten aus- gegangenen Declamationen“ hätten das Darmstädter Unternehmen hervor- gerufen.) Die Cabinette selbst waren mit nichten einiger als die öffentliche Meinung, denn die verbündeten Staaten bildeten nur scheinbar eine geographische Einheit. Sobald man den Geschäften ernsthaft ins Auge sah, zeigte sich die schändliche Lehre des „Manuscripts aus Süddeutsch- land“ alsbald in ihrer Hohlheit. Eine natürliche Gemeinschaft süddeutscher Volkswirthschaft, dem Norden gegenüber, bestand nicht. Vielmehr trat wieder einmal jene eigenthümliche Stellung des Rheinlandes hervor, das so oft schon in unserer Geschichte die heilsame Rolle des Vermittlers gespielt hat zwischen Nord und Süd. Die kleinen oberrheinischen Staaten waren dem rheinischen Tieflande durch stärkere Interessen verbunden als *) Eingabe von E. W. Arnoldi u. Gen. an den Herzog von Gotha (1820); vom landwirthschaftlichen Verein zu Ettenheim an Berstett, 1. Sept. 1820; von Ludw. Basser- mann Frohn in Mannheim, Okt. 1820 u. s. w. *“) Nebenius' Bericht, Darmstadt 22. Sept.; Berstett an Metternich, 8. Sept. 1820.