310 III. 5. Die Großmächte und die Trias. reden, daß Lindner und sein Freund Le Bret mit Trott und dem alten Bonapartisten Malchus ein Württembergisches Comité directeur bildeten, das wieder mit den Brüdern Murhard und mit Lafayette's französischer Venta zusammenhänge. In der That stand dieser neue Liberalismus in scharfem Gegensatz zu der teutonischen Begeisterung der alten Burschen- schaft; er konnte seinen rheinbündischen Ursprung nicht verleugnen und schwelgte in französischen JIdeen. Es war der Fluch unserer verschrobenen politischen Verhältnisse, daß in diesem urgermanischen Schwabenlande der Napoleonscultus verschollener Tage wieder manche Anhänger fand. Lindner und Le Bret bekannten sich offen als Bonapartisten und errichteten in ihrem Garten dem Imperator ein Denkmal mit der Inschrift: Au grand homme. L'Europe le déplore. I/Asie I’adore, IAfrique le regrette. So stark war diese Zeitströmung, daß sogar der ganz unpolitische liebens- würdige Dichter Wilhelm Hauff sich ihr nicht entziehen konnte; seine anmuthige Novelle „das Bild des Kaisers", die in jenen Tagen entstand, trieb die Verehrung des Imperators bis zum Götzendienste und behandelte die preußischen Sieger mit spöttischer Verachtung. Unterdessen war auf das Mannscript aus Süddeutschland schon ein zweites ebenso geheimnißvolles Stuttgarter Manifest gefolgt: ein diplo- matischer Bericht „über die gegenwärtige Lage von Europa“ (1822), an- geblich herausgegeben von Kollmanner, unverkennbar wieder ein Werk Lindner's. Die Schrift bekämpfte in der alten Weise das „Stabilitäts- system"“ der großen Mächte, aber sie gab auch „dem Repräsentativsystem, unter dessen Schutze die Redekünstler nach Brod gehen,“ förmlich den Laufpaß und fertigte „die zahmen, fast seelenlosen Stände“ Württembergs, die Unfruchtbarkeit der übrigen süddeutschen Landtage mit der äußersten Geringschätzung ab. Nachdem also die beiden entgegengesetzten Systeme sich vernutzt hätten — so fuhr der Bericht fort — müsse das Naturgesetz wieder in Kraft treten, „welches den höheren Genius zum Regenerator der Gesellschaft beruft. Männer werden wieder auf dem Schauplatz auf- treten und verstanden werden“; sie werden die Bundespolitik mit einem neuen Geiste erfüllen, die Mindermächtigen zum Gefühle ihrer Kraft er- hebeen — und was der orakelhaften Andeutungen mehr war. Bignon, der schreibselige Anwalt der Rheinbundsfürsten beeilte sich, in einem Buche „die Cabinette und die Völker“ die Welt auf die unermeßliche Bedeutung dieses Stuttgarter Manifestes aufmerksam zu machen. Daß König Wilhelm von der neuen Schrift seines literarischen Ver- trauten nichts gewußt haben sollte, ließ sich schwer glauben; unzweifelhaft aber war jeder Satz des Berichtes, der nach seiner ganzen Fassung dem großen Publikum völlig unverständlich bleiben mußte, auf die persönlichen Leidenschaften des ehrgeizigen Fürsten berechnet. Die diplomatische Welt sollte vorbereitet werden auf irgend eine rettende That des Stuttgarter Hofes. Worin diese Großthat eigentlich bestehen würde — das wußten freilich