Württemberg gegen das Veroneser Rundschreiben. 313 Ladung sehr unhöflich ablehnte. Wenn König Wilhelm in einem Augen- blicke da kein Interesse seines Ländchens unmittelbar gefährdet war, den großen Mächten den Handschuh hinwarf, so trieb ihn lediglich die gereizte Eitelkeit und jener den Mittelstaaten eigenthümliche zwecklose Thatendrang, der immer von Neuem zeigen mußte, daß die Kleinen auch noch auf der Welt seien. Wintzingerode gab, wie gewöhnlich, kopfschüttelnd dem Willen seines Gebieters nach und sendete am 2. Januar 1823 an die württembergischen Gesandtschaften ein Rundschreiben, das lebhaft an die Fabel vom Adler und vom Zaunkönig erinnerte. Geschützt durch seine Winzigkeit meinte der kleine Vogel die Könige der Lüfte durch schmähendes Gezwitscher un- gestraft beleidigen zu dürfen. Alle die Vorwürfe, welche der Stuttgarter Hof einst in ironischer Umschreibung gegen den Troppauer Congrefß gerichtet hatte'), wiederholte er jetzt in der Form einer offenen Anklage. Dieser König von Napoleon's Gnaden nannte die Mächte, welche den Imperator gestürzt hatten, kurzweg „Erben des Einflusses, den Napoleon sich in Europa angemaßt"“, was um so schwerer kränken mußte, da der Vorwurf ein Körnlein Wahrheit enthielt. Dann fuhr die Depesche fort: „Verträge abgeschlossen, Congresse zusammenberufen im Interesse der europäischen Völkerfamilie, ohne daß es den Staaten des zweiten Ranges gestattet ist ihre Ansichten geltend zu machen, ihre besonderen Interessen zu wahren; die Formen selbst, unter welchen man sie zu den Verträgen zuläßt und ihnen die Beschlüsse der überwiegenden Mächte zu erkennen giebt; die Erwartung der Großmächte, daß sie bei keinem ihrer Verbündeten einer Meinungsverschiedenheit begegnen würden — diese verschiedenen Neuerungen in der Diplomatie rechtfertigen wenigstens einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten der Rechte, welche jedem unabhängigen Staate unveräußerlich zustehen." Zum Schluß beschwerte sich Wintzingerode über die Aus- schließung Württembergs vom Congresse und namentlich über die Aus- schließung des Deutschen Bundes, der doch nur zu den Mächten ersten Ranges gezählt werden und als Ganzes seinen Theilen, den beiden deutschen Großmächten, nimmermehr nachgestellt werden dürfe! Un- geschickter konnte der Kampf gegen die Vormundschaft der Pentarchie nicht eingeleitet werden; denn was hatte Württemberg mit den Angelegenheiten Spaniens, Italiens, Griechenlands, die in Verona allein behandelt worden waren, gemein? Und welch’ ein phantastischer Machtdünkel mußte die staatsmännischen Köpfe der Triaspolitik verblenden, wenn sie nicht begriffen, daß Oesterreich und Preußen nicht bloß Theile des Deutschen Bundes waren und der Bund ohne sie, Dank seiner musterhaften Kriegsverfassung, unzweifelhaft höchstens zu den Mächten zweiten Ranges gehörte! —— — — — — —— *) S. ö. III. 125.