314 III. 5. Die Großmächte und die Trias. Da die Depesche der öffentlichen Erklärung der Ostmächte eine förm— liche Rechtsverwahrung entgegenstellte, so mußte sie auch selbst veröffentlicht oder mindestens den großen Höfen mitgetheilt werden. Der Geschäfts— träger in Berlin, Wagner hielt dies auch für selbstverständlich und las das sonderbare Schriftstück dem Stellvertreter Bernstorff's, Ancillon in aller Unschuld vor. Wie groß war sein Schrecken, als der sanftmüthige deutsche Staatsmann in hellem Zorne auffuhr und sich eine solche Sprache ernstlich verbat. Der Stuttgarter Hof allerdings, rief er dem Württem— berger zu, verdanke seine Krone der Gunst Napoleon's; die großen Mächte aber hätten ihre Macht nicht von Napoleon geerbt, sondern sie ver— wendet, um den Cäsar zu bekämpfen. Sofort wurden Oesterreich und Rußland eingeladen, mit Preußen gemeinsam Genugthuung zu fordern und „einen großen Schlag" gegen das Haupt der deutschen Opposition zu führen.) So schroff standen die Parteien einander gegenüber, als Metternich um Mitte Januar die neue Wiener Conferenz um sich versammelte: nur Bernstorff, Zentner, Blittersdorff, Plessen und wenige andere Vertraute. Selbst Marschall hatte keine Einladung erhalten, und der Herzog von Nassau klagte nachher bitterlich: was denn die gutgesinnten unter den deutschen Fürsten nunmehr zu thun hätten, da sie von den Wiener Be- sprechungen nichts wüßten?) In dieser geschlossenen Gesellschaft glaubte Metternich mit seinen Herzenswünschen offener hervortreten zu können als in der großen Ministerconferenz vor drei Jahren. Er hatte durch Gentz eine große Denkschrift über den Schutz der Ruhe und Ordnung aus- arbeiten lassen, die mit der herkömmlichen haarsträubenden Schilderung der deutschen Zustände begann: selbst das Schattenbild einer monarchischen Regierungsform, hieß es da, werde in Kurzem in den Händen der süd- deutschen Regierungen zerfließen. Darauf folgten Vorschläge gegen den Bundestag, den man von allen feindseligen Elementen säubern und fortan nur vier Monate im Jahre tagen lassen wollte. Auch die Veröffentlichung der Protocolle sollte unterbleiben, da sie bisher nur die Eitelkeit einzelner Gesandten aufgestachelt oder durch die „unvermeidliche Geringfügigkeit des Stoffs zu unnützen Spöttereien Anlaß gegeben“ habe. Der Schwerpunkt der k. k. Anträge lag in dem zweiten Abschnitt über die Landesverfassungen: der Bundestag sollte fortan die Bundesgesetze „so auslegen, wie es das höchste der Staatsgesetze, die Erhaltung des Ganzen und seiner Glieder verlange“, und demnach befugt sein, auf Antrag einzelner Regierungen deren Landes- verfassungen abzuändern, vornehmlich aber die Oeffentlichkeit der Landtags- verhandlungen zu beschränken, damit nicht „den noch an Zucht und Ordnung *) Ancillon an Schöler in Petersburg, 26. Jan. 1823. * Blittersdorff's Bericht, 2. April 1823.