Reaktion in Württemberg, Hessen, Baden. 351 wie oft einst Eberhard im Bart, der Stifter der Universität, bei seinem alten Lehrer Nauclerus im Kanzlerhause neben der Stiftskirche Herberge genommen hatte um mit seinen Professoren in guter Freundschaft zu zechen und zu disputiren; und jetzt ward der ehrwürdigen Hochschule durch einen Nachkommen ihres Stifters und seinen Rath Maucler sogar das uralte Recht, Rektor und Dekane selbst zu wählen, mißtrauisch entzogen. Deutsch— lands gesammte gelehrte Welt fühlte sich beleidigt, und Schelling sendete in seine alte Heimath die bitteren Verse: Vindice Nauclero quondam fundata Tubinga. Judice Mauclero perdita tota jacet. Minder gehässig zeigte sich die Reaktion in Darmstadt. Der fried- fertige Geist, der über den Anfängen des hessischen Verfassungslebens gewaltet, war noch nicht gänzlich verflogen; selbst in diesen müden Jahren brachte der Landtag noch einige heilsame Reformen, vornehmlich die Auf- hebung des Zehnten zu Stande. Aber die ungetrübte Eintracht früherer Tage bestand auch hier nicht mehr. Wie anders klang jetzt die Sprache vom Ministertische! Wenn die Abgeordneten zu der dürftigen Uebersicht des Staatshaushalts, die ihnen allein vorgelegt wurde, einige Erläuterungen verlangten, dann gab man ihnen vertraulich zu verstehen: weitere Forde- rungen könnten leicht den Bestand der Verfassung selber gefährden. Un- bequemer Oppositionsmitglieder entledigte man sich durch offenbare Willkür. Vor den Wahlen von 1826 bereiste der Minister Grolmann selbst das Land um die Wähler zu bearbeiten. Als E. E. Hoffmann, der lauteste und rührigste Parteigänger der Liberalen, sich dawider zur Wehre setzte und die Hessen aufforderte, nur unabhängigen Männern ihre Stimmen zu geben, da ließ ihn die Regierung wegen indirekter Majestätsbeleidigung anklagen, und erst drei Jahre später konnte er, vollständig freigesprochen, in die Kammer eintreten. Der wohlmeinende Minister, den man vor Kurzem noch als den Vater der Verfassung gepriesen, wurde jetzt, nicht ohne eigene Schuld, verdächtigt und befehdet; er rieb sich auf in dem kleinen Aerger der Landtagshändel und starb schon in der Blüthe seiner Jahre. Wie unschuldig erschien das Alles neben den Saturnalien der Re- aktion, welche in Baden spielten. Nicht umsonst hatte Blittersdorff in jener Johannisberger Denkschrift die Drohung ausgesprochen: die Re- gierungen seien allzu lange in der Vertheidigung geblieben, es werde Zeit zum Angriff vorzugehen. Seit der Landtag von 1823 so ungnädig entlassen worden, setzte die reaktionäre Partei alle Hebel ein um die Ver- fassung aus den Angeln zu heben. Auf einen Glückwunsch des Peters- burger Hofs sprach Berstett seinen überschwänglichen Dank aus für das schmeichelhafte Zeugniß, das der Kaiser den schwachen Bemühungen des Großherzogs ausgestellt, und fuhr fort: „Alle die unruhige Thätigkeit, welche seit einigen Jahren die Völker sowie die Regierungen quält, scheint sich in dem Worte zu vereinigen „Verfassung“ und offenbart sich haupt-