366 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. Landhaus und, unter einigen Beschränkungen, auch die Verwaltung des Landarmenwesens wieder. Sie ernannte, um die Landtage zu ehren, alle Landtagsmarschälle zu Mitgliedern des Staatsraths: so kam es, daß jetzt endlich auch Stein die ihm längst gebührende Stellung erhielt und gleich— zeitig mit Marwitz in den Staatsrath berufen wurde, nachdem der König sich zuvor durch Herzog Karl behutsam hatte erkundigen lassen, ob der stolze Freiherr den Gnadenbeweis auch annehmen wolle.“) Der letzte Verfassungsausschuß, der die Provinzialstände geschaffen hatte, bestand in etwas veränderter Zusammensetzung fort als „Immediat-Commission“ für die ständischen Angelegenheiten, um alle Vorlagen für die Stände, alle Landtagsabschiede und Wahlprüfungen zu begutachten. Der Kronprinz behielt den Vorsitz, das Protocoll führte Geh.-Rath v. Voß-Buch, des alten Ministers gleichgesinnter Sohn, der sich das volle Vertrauen des Thronfolgers erwarb und in der Regel mit seiner gewandten Feder die politischen Denkschriften des Prinzen entwarf.“) Dreiundzwanzig Jahre lang, bis nach der Berufung des Vereinigten Landtags, blieb diese Immediat-Commission die Vermittlerin zwischen der Krone und den Land- tagen; an Wohlwollen ließ sie es nicht fehlen, da der Kronprinz seine deutschrechtlichen Stände so fest ins Herz geschlossen hatte. Aber das Alles konnte den lebendigen Verkehr mit den Landständen nicht ersetzen; und diesen hatte sich die Regierung selber abgeschnitten, theils aus bureaukratischer Aengstlichkeit, theils weil das unnatürlich zersplitterte Ständewesen zu solcher Beschränkung zwang. Es war unmöglich, daß die Minister in acht Landtagen selbst erschienen, und ebenso unmöglich, die Ver- theidigung der Vorlagen den Provinzialbehörden zu übertragen, da die Gesetzentwürfe zumeist mittelbar oder unmittelbar den ganzen Staat angingen. Darum erhielten die Landtage nur bei der Eröffnung durch den königlichen Commissar die Propositionen der Krone vorgelegt und blieben nachher sich selber überlassen. Der beste Inhalt deutscher Landtagsverhandlungen, der unmittelbare Gedankenaustausch zwischen Regierung und Ständen, fehlte hier gänzlich. Erst nach dem Schlusse des Landtags gab die Krone ihre Entscheidung kund, und diese Landtagsabschiede verspäteten sich unge- bührlich, oft um ein volles Jahr und mehr, weil der König die Bitten seiner Rheinländer oder Brandenburger nicht beantworten konnte ohne zuvor die Ansicht der Westphalen oder der Schlesier vernommen zu haben. So rächte sich überall jener künstelnde Doktrinarismus, der die lebendige Staatseinheit in acht Theile zerschneiden wollte. Und wie nach oben so hatten die Stände auch nach unten hin keine Fühlung. Die kurzen Ueber- *) Lottum an Herzog Karl v. Mecklenburg, 29. April; Herzog Karl an Lottum, 29. April; an den König, 30. April 1827. **) Cabinetsordres an den Kronprinzen, 5. Nov. 1824, 9. Febr. 1828; Minister v. Massow, Promemoria über die Immediat-Commission, 20. Okt. 1847.