384 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. zu, denn durch die Redner der süddeutschen Kammern war das Schwur- gericht längst in den Streit der Parteien hinabgerissen worden. Metternich frohlockte und pries die Fügung des Himmels, daß der verhängnißvolle Name Sand nun abermals den Anstoß geben müsse zu einem heilsamen Rückschlage. Aber auch ein anerkannter Führer der süddeutschen Liberalen, Paulus in Heidelberg nahm sich des Verurtheilten an; er füllte ganze Hefte seines Sophronizon mit einer Darstellung des Processes, die dem streit- baren Theologen den juristischen Doktorhut einbrachte, und sendete seine Arbeit dem Könige selber ein. Noch schwerer fiel die Meinung des ersten deutschen Criminalisten ins Gewicht. Anselm Feuerbach hatte soeben erst in einer bahnbrechenden Schrift die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Strafprocesses glänzend vertheidigt, er war auch kein unbedingter Gegner der Geschworenengerichte, die er mindestens im constitutionellen Staate für unvermeidlich hielt; doch über die Vorgänge in Trier sprach er seinen tiefen Abscheu aus: ein solcher Justizmord überbiete noch die Hinrichtung des Jean Calas; noch sei ja nicht einmal erwiesen, ob der Todte über- haupt durch fremde Hand umgekommen sei. Das Alles stürmte auf den König ein, zugleich bedrängte ihn Fonk's unbescholtene Frau mit herzbrechenden Bitten. Friedrich Wilhelm fühlte sich tief im Gewissen erschüttert, forderte zunächst vom Justizministerium genauen Bericht, und als auch dies Gutachten den Wahrspruch der rheinischen Geschworenen durchaus verdammte, da verweigerte er dem Urtheil die Genehmigung, denn die Begnadigung schien ihm ungenügend nach solchem Unrecht. In den alten Provinzen wurde die Entscheidung des Monarchen fast überall gebilligt. Die Rheinländer grollten; sie wollten sich nicht darein finden, daß in Preußen jedes Todesurtheil der königlichen Bestätigung be- durfte, und warfen dem Könige vor, er habe, ganz wie sein Großoheim einst nach dem Processe des Müllers Arnold, um der Gerechtigkeit willen selber das Gesetz verletzt, eine That der Cabinetsjustiz gewagt. Von Napoleon hatten sie ärgere Eingriffe hingenommen, weil er das Geschworenengericht — wie er es sich zugerichtet hatte — geflissentlich pflegte; von der deutschen Herrschaft befürchteten sie, dem ersten Schlage würden schwerere folgen. Ihre Besorgniß war nicht grundlos. Der König konnte die Eindrücke jenes schrecklichen Processes lange nicht verwinden. Nach Allem was ihm sein Minister Kircheisen vorgetragen, hielt er sich verpflichtet, der Wieder- kehr solcher Fälle vorzubeugen, und befahl auf Antrag des gesammten Staatsministeriums (9. Dec. 1824), daß die Aufhebung des rheinischen Gesetzbuchs nicht, wie im Jahre 1819 beschlossen war, bis zur vollendeten Revision des Allgemeinen Landrechts zu verschieben, sondern sogleich ins Werk zu setzen sei. Als aber das Justizministerium über die Vollziehung dieser Cabinetsordre berieth, da zeigten sich die Schwierigkeiten fast unüber- windlich, und Kircheisen selbst, der alte Gegner des französischen Rechts, erklärte wenige Tage vor seinem Tode (März 1825), im Widerspruche