Neuer Kampf um das rheinische Recht. 385 mit seiner früheren Meinung: man müsse die Einführung des Landrechts vertagen, bis die altpreußische Gesetzgebung gründlich umgestaltet sei.“) Erst Kircheisen's Nachfolger, Graf Danckelmann, ein ausgezeichneter, ganz in altländischen Rechtsanschauungen aufgewachsener Jurist, entschloß sich dem königlichen Befehle sofort nachzukommen. Dem ersten rheinischen Provinziallandtage wurde demnach angekündigt, daß der König schon im zweitnächsten Jahre, 1828, das Preußische Land- recht, mit Ausnahme einzelner Abschnitte, am Rhein einzuführen gedenke. Die Ritterschaft empfing die königliche Botschaft mit Freuden: Freiherr v. Mirbach weil er das fremde Recht als ein „schmähliches Zeichen der Unterjochung“ verabscheute'*), die meisten Andern weil sie ihre Standes- rechte unter dem Schutze des preußischen Gesetzbuchs wohl geborgen wußten. Die Mehrheit der beiden unteren Stände aber hielt zusammen wie ein Mann. Hier zum ersten male zeigte der rheinische Juristenstand seine politische Macht. Zwei gewandte Redner aus seiner Mitte, Mylius und Haw, nebst dem Kaufmann Kamp übernahmen die Führung der Landtags- Opposition, während draußen im Lande die Schrift des Düsseldorfer Juristen Brewer „zur Rechtfertigung der Oeffentlichkeit der Gerichte“ auf- merksame Leser fand. Der Provinzialstolz gerieth in Wallung. Sechzehn Städte sendeten Adressen theils an den König, theils an den Landtag, der die Eingaben, dem Gesetze zum Trotz, unbedenklich annahm. So stark war die allgemeine Aufregung, daß selbst die vorgeschriebene Heimlichkeit der Berathungen nicht gewahrt blieb; die stürmischen Debatten, die der wackere Landtagsmarschall Fürst von Wied oft kaum zu zügeln vermochte, fanden ihren Weg in die öffentlichen Blätter, auch die Abstimmungen der einzelnen Mitglieder wurden bekannt, und mancher Schwankende folgte der Mehrheit, nur weil er sich fürchtete als Prüß verrufen zu werden. Der Landtag bat den Monarchen schließlich, die preußische Gesetzgebung nicht vor Vollendung der Revision einzuführen und dem Rheinlande auf jeden Fall das Schwur- gericht, das öffentliche Verfahren und die Handelsgerichte zu erhalten. Die Particularisten verlangten auch noch ein rheinisches Indigenat und gesetzliche Bevorzugung der Eingeborenen bei der Besetzung der Aemter, doch war die Mehrheit klug genug, die Berathung über diesen rheinischen Herzenswunsch vorläufig auszusetzen. Stein und sein aristokratischer Freund Erzbischof Spiegel wollten in Alledem nichts sehen als Franzosenthum und Zuchtlosigkeit. Der König urtheilte billiger. Er ließ zwar dem Landtage wegen der wiederholten Verletzungen der Geschäftsordnung sein Mißfallen aussprechen, indeß bei ruhigem Nachdenken fand er es doch begreiflich, daß die Provinz ihr rhei- *) Kamptz, Denkschrift, die Einführung der preußischen Gesetzgebung in den Rhein- provinzen betr. 1825. *) Frhr. v. Mirbach zu Harff, Separatvotum über das rheinische Recht, Düssel- dorf 27. Dec. 1826. v. Treitschke, Deutsche Geschichte. 1II. 25