398 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. Constitution des Staates und die der Kirche einander bedingten. Auch der König lehnte diese Gedanken anfangs nicht unbedingt ab. Er ließ im Jahre 1812 Provinzialsynoden zusammentreten und erklärte noch drei Jahre später dem Cultusminister seine Absicht, eine Generalsynode von gewählten Geist— lichen und Laien einzuberufen, welche, wie es in Baden geschehen war, eine Unionsurkunde für die gesammte Landeskirche entwerfen sollte. Indeß war er keineswegs gesonnen mit der Geschichte zu brechen und auf seine Stellung an der Spitze der Landeskirche zu verzichten; nur ein Zusammen— wirken der Synoden mit den bestehenden landesherrlichen Consistorien wollte er zugeben. Darum begann er schon bedenklich zu werden, als mehrere der Provinzialsynoden von 1819 sich in ihrer Unerfahrenheit zu radicalen Beschlüssen verstiegen und geradezu die Aufhebung der Consistorial- verfassung forderten; die brandenburgische Synode, die unter Schleier- macher's beherrschendem Einfluß stand, wollte sogar das Cultusministerium abschaffen und durch einen Ausschuß der Generalsynodc ersetzen — ein Vorschlag, der bei der Zerfahrenheit der kirchlichen Parteiung augenblicklich nur Unheil stiften, nur eine verderbliche Sektenbildung hervorrufen konnte. Als nun der Kampf gegen die Agende begann, eine Fluth widersprechender Beschwerden und Bedenken sich an die Stufen des Thrones heranwälzte, da fürchtete Friedrich Wilhelm, eine Generalsynode, jetzt berufen, werde die Verwirrung nur vermehren, vielleicht den Bestand der jungen Union selbst gefährden. Auch politische Besorgnisse mochten ihn bedenklich stimmen. Noch mißtrauischer betrachtete Altenstein die unbequemen ersten Regungen kirchlicher Selbständigkeit; er blieb bei all seiner Duldsamkeit doch ganz in staatskirchlichen Anschauungen befangen und that gar nichts um die Synodalreform zu fördern, sondern ließ die Pläne des Monarchen, wie Alles was ihm unbequem war, nach einigen unfruchtbaren Vorarbeiten gemächlich einschlafen. Die Provinzialsynoden wurden nicht wieder ein- berufen, nur die kleinen Kreissynoden der Geistlichen führten ihr unschein- bares Dasein weiter. Da der Kirche also ein berechtigtes Organ zum Aussprechen ihres Gesammtwillens noch fehlte, so beschloß der König als oberster Bischof sein liturgisches Recht zu gebrauchen, wie er es nannte, und ohne unmittelbaren Zwang doch das ganze Ansehen seiner Krone für die Durchführung der Agende einzusetzen. Nach seiner heiligen Ueberzeugung verfiel die Kirche ohne eine gleich- mäßige Regel des Gottesdienstes rettungslos der Zersplitterung, und ihm lag es ob, dem Verderben zu wehren. An den Rand einer Protesteingabe schrieb er eigenhändig: „Glaubens= und Gewissensfreiheit sind wohl zu unterscheiden von Religionsfreiheit.“ Die Schriften einiger ungeschickten Vertheidiger bestärkten ihn in solcher Ansicht. Der Theolog Augusti in Vonn verfocht geradezu den furchtbaren Satz cujus regio ejus religio, der doch in Preußen schon seit den Tagen Johann Sigismund's seine Herrschaft verloren hatte, und Ammon in Dresden pflichtete ihm behutsam bei. Der