434 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. habt wurde, die Opfer ihrer Verdächtigung mit tyrannischer Willkür miß- handeln. Der Fanatiker der Angst, Geh. Rath Kamptz war die Seele dieses finsteren Treibens. Er leitete als Direktor der Polizei die Ver- haftungen, er erstattete dem Staatskanzler im Sommer 1819 die ersten Anzeigen über die entdeckte große Verschwörung. ) Und sicherlich hat er nicht wissentlich verleumdet; aber unbefangen war er jetzt so wenig wie vor Jahren, als er gegen die Wartburgfeier zu Felde zog. Aus Jahn's närrischen Goldsprüchlein, die ihm seine Späher zutrugen, meinte er herauszulesen, daß ein Mordanschlag gegen ihn selber im Werke gewesen sei, und mit der ganzen Roheit des persönlichen Hasses verfolgte er nun seine Feinde. Unter ihm wirkte eine polizeiliche Untersuchungs-Commission, der neben dem elenden Grano auch einer von Hardenberg's zwei- deutigen Vertrauten, der Lausitzer Tzschoppe angehörte, ein knabenhaftes Männchen mit blonden Locken, rosigen Wangen und sanften blauen Augen, glatt und leise wie ein Wiesel, überall horchend, immer bereit mit sauberen, wohlabgezirkelten Schriftzügen unsaubere Anzeigen in die Akten einzutragen. Nach dem Buchstaben des bestehenden Rechtes ließ sich die Gesetz- mäßigkeit des eingeschlagenen Verfahrens schwer bestreiten; denn unzweifel- haft stand dem absoluten Könige die Befugniß zu, in Zeiten der Gefahr außerordentliche Maßregeln zu ergreifen, und nur für den Fall, daß die Wahrscheinlichkeit eines begangenen Verbrechens vorlag, verlangte das Landrecht gerichtliche Untersuchung. Gleichwohl beantragte das Staats- ministerium in mehreren Eingaben an den König und den Kanzler die sofortige Einsetzung einer Justizcommission. „Die öffentliche Meinung — dies gaben die Minister dem Monarchen zu erwägen (8. Sept.) — hängt besonders in unseren Tagen vorzüglich von der Achtung für das Recht und seine schützenden Formen ab. Vertrauen aber wird durch nichts so sehr gefährdet, als wenn die Verwaltung zu außerordentlichen Maßregeln schreitet, die nachher nicht durch den Erfolg gerechtfertigt werden. Noch steht dieses Vertrauen fest im preußischen Staate, so fest, daß man — wie die Zeitungsberichte der Regierungen übereinstimmend sich aussprechen — kaum an die gefährlichen Umtriebe glaubt, sie wenigstens nicht fürchtet. Aber wohin könnte es führen, wenn man auf dem betretenen Wege er- folglos noch lange fortschreiten sollte?“ Mit der äußersten Grobheit trat Kamptz diesen Angriffen entgegen. „Auf dem betretenen Wege? so fragte er höhnisch — dem der Umtriebe oder dem der Untersuchungen? Ersterer könnte freilich sehr weit führen!"“ Da der Staatskanzler den Versiche- rungen des Polizeidirektors unbedingt traute, so sprach eine von Harden- berg eigenhändig entworfene Cabinetsordre den Ministern das Befremden des Königs aus, ermahnte zur Vorsicht in allen Aeußerungen und erklärte *) Kamptz, Berichte an Hardenberg, 11. Juli 1819 ff.