Der junge Radicalismus. A. Ruge. 441 der Zwingherrschaft erst die Republiken der Niederländer und der Ameri— kaner wieder einiges Heil in die Welt gebracht, bis dann endlich der lichte Tag der großen Revolution emporgestiegen war und eine neue Blüthe der Menschheit in den Heldenkämpfen des Convents sich entfaltet hatte. Solche Ansichten, die in den Tagen des Wartburgfestes noch einen Sturm des Unwillens erregt hätten, fanden jetzt schon eine gläubige Gemeinde. Unfähig, wie er sein Lebelang blieb, Traumleben und Wirklichkeit zu unter— scheiden, baute Ruge fest auf die radicale Entschlossenheit seiner Genossen und bezweifelte niemals die unermeßliche Ueberlegenheit „dieser ruhigen republikanischen Staatsmänner“ gegenüber der verrotteten monarchischen Philisterwelt. „Von dem richtigen Verständniß dieser Frage hängt die Zukunft Europas, insbesondere unseres noch nicht republikanischen Volkes ab“ — so klang es dröhnend durch den Saal, da die jungen Weltverbesserer über die Frage „des freien Schlägers“ beriethen und als rauflustige Philo— sophen zu dem echt germanischen Entschlusse gelangten, die mittelalterliche Barbarei des Duells in Anbetracht der Vorurtheile des Zeitalters vor— läufig noch nicht aufzugeben. Wo diese radicale Richtung obenauf kam, da begann sich der Ton bald merklich zu ändern. Vom Christenthum war gar keine Rede mehr; aus den alten Wahlsprüchen „frisch, frei, fröhlich, fromm“ und „Gott, Freiheit, Ehre, Vaterland“ wurden die Frömmigkeit und der liebe Gott stillschweigend weggelassen, hier und da schon förmlich gestrichen. Wie er- schrak Wolfgang Menzel, als er einige Jahre nach den Karlsbader Be- schlüssen aus der Schweiz heimkehrte und von der christlich-germanischen Schwärmerei seiner Burschenzeit keine Spur mehr übrig fand. In Halle bemühte sich Karl von Raumer, der treue Freund der alten Burschen- schaft, vergeblich, den radicalen Verführern der Jugend zu wehren. Die Burschen hörten nicht mehr auf ihren frommen Lehrer. Wie durfte man von ihnen Mäßigung erwarten, wenn der Unverstand der Behörden das altgewohnte akademische Genossenschaftsleben völlig zu vernichten suchte und den Studenten nicht einmal die Einsetzung eines akademischen Ausschusses gestatten wollte? Lächerlich grell trat der Gegensatz des alten und des neuen Geschlechts an den Tag, als Arnold Ruge eine Zeit lang mit Jahn zusammen in Kolberg auf der Festung saß, der pantheistische Republikaner mit dem strenggläubigen, preußischen Monarchisten. Keiner von Beiden verhehlte, daß er den Anderen für einen ausgemachten Narren ansah, Kamptz aber hielt Beide für gleich ruchlose Hochverräther. Für die Zu- kunft des deutschen Parteilebens wurde die radicale Verbitterung des jungen Geschlechts unheilvoll, für die öffentliche Sicherheit stand im Augenblicke nichts zu fürchten. Wie scharf durchschaute Arndt die deutsche Jugend, als er ihr zurief: Schlecht geräth Dir List und Kunst, Feinheit wird Dir eitel Dunst.