Aufhebung der Generalcontrole. 461 brauchte auch volle vier Monate, bis er dem neuen Minister sein selbst- bewußtes Auftreten ganz verzieh. Dann aber hatte er sich durch Lottum's Vorträge von der Unhaltbarkeit des bestehenden Dualismus gründlich überzeugt, und da er seine bureaukratischen Hartköpfe kannte, so ging er nunmehr sogleich weit über die Vorschläge des Finanzministers selber hinaus. Am 8. April 1826 überraschte er diesen durch die willkommene Mittheilung: er denke die Generalcontrole ganz aufzuheben, ihre Ge- schäfte dem Finanzministerium zu übertragen. Am 29. Mai wurde dieser Befehl vollzogen und Ladenberg mußte sich wehmüthig mit dem Präsidium der Oberrechnungskammer begnügen.') Motz aber war jetzt endlich Herr der Lage, und die anderen Minister empfanden bald, daß er sich berech- tigt hielt, alle Gebiete der Verwaltung scharf zu überwachen. Der lang- same Altenstein mochte wohl Grund haben, sich über die Anmaßung des Finanzministers zu beschweren, denn umständliche Bedachtsamkeit reizte den stürmischen Mann leicht;?'“) doch über seine Kargheit konnte Niemand klagen. Den Anforderungen der Kunst und WMissenschaft entsprach er, nach dem Maße der vorhandenen Mittel, sehr freigebig; als Kamptz ihn wegen der hohen Kosten der Revision des Landrechts befragte, erwiderte er nachdrücklich: für ein solches Werk muß in Preußen immer Rath ge- schafft werden. In jedem Zweig des Finanzwesens spürte man die rüstigen Hände des neuen Leiters. Durch eine gründliche Reform der Kassenverwaltung verschaffte er sich einen genauen Ueberblick über alle Bestände. Das Steuerwesen ließ er in den Händen Maassen's, des Urhebers der neuen Zollgesetzgebung. Die Beiden galten in der Beamtenwelt als Neben- buhler, aber sie wurden Freunde. Maassen fügte sich gern der raschen Entschlossenheit des jüngeren Vorgesetzten, und dieser wußte wohl, was er der Umsicht und Sachkenntniß des Generalsteuerdirektors verdankte. „Alles mit Maassen,“ sagte er lächelnd, wenn ihn der besonnene Freund von einem übereilten Wagniß zurückgehalten hatte. Unter Maassen arbeitete der geistreiche Ludwig Kühne, Motz's alter Freund von Erfurt her, der Schrecken aller Trägen und Mittelmäßigen; wie wußte er seine Leute in Athem zu halten, wenn er ihnen zurief: „Dummheit ist eine Gottesgabe, aber sie zu mißbrauchen ist schändlich!“ In den Provinzen war das Steuerwesen bisher von den Regierungen verwaltet worden; der König hatte indeß bald eingesehen, wie wenig das langsame Collegialsystem sich für diesen Zweig der Verwaltung eignet, und daher (1822) zunächst in den beiden westlichen Provinzen das ge- *) Motz's Bericht an den König, 28. Nov.; Motz an Lottum, 28., 30. Nov., 5., 10. Dec. 1825, 2. März 1826; Cabinetsordre an Lottum, 8. April; Ladenberg's Eingabe an den König, 3. Mai 1826. *) Altenstein an Lottum, 20. Febr. 1828 ff.