536 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland. der neuen Lehre zu; Ernst von Lüneburg gesellte seinen Namen zu der erlauchten Schaar der Bekennerfürsten des Evangeliums, aber in den Entscheidungskämpfen der Zeit vermochte das zerspaltene Haus wenig aus- zurichten. Auch nachdem die lutherische Lehre in allen welfischen Landen zur Herrschaft gelangt war, überraschte der dreißigjährige Krieg die Welfen wieder in rathloser Zwietracht; hin und her geschleudert zwischen den Parteien, liefen sie Gefahr, ihr Stammland an die Condottieri der katho- lischen Liga zu verlieren oder ganz in die Botmäßigkeit Schwedens zu gerathen. Inmitten dieser Bedrängniß begann das Fürstengeschlecht sich endlich wieder aufzuraffen. In Herzog Georg erstand der neuen calenbergischen Linie ein kluger Stammhalter, der sein Land beisammen hielt und Han- nover zur bleibenden Hauptstadt erhob. Wie in allen großen deutschen Fürstengeschlechtern so ward auch im welfischen Hause durch ein seltsames Spiel des Schicksals der jüngeren Linie die größere Macht beschieden. Auf dem Westphälischen Friedenscongresse stritt der welfische Kanzler Lampa- dius, mit Brandenburg vereint, tapfer für die unbedingte Gleichberechti- gung der drei Bekenntnisse. Fortan hob sich das Ansehen des Geschlechts. Seine Fürsten trieben im Reiche gemeinsam eine vorsichtige Hauspolitik, die sich glatt zwischen Brandenburg und Schweden, Oesterreich und Frank- reich hindurchwand und immer bemüht war „keine Ombrage zu geben“. Zugleich erstarkte die fürstliche Gewalt im Innern und deckte sich durch ein stehendes Heer. Ernst August, der letzte Welfe, der noch etwas von der staatsmännischen Kühnheit Heinrich's des Löwen geerbt hatte, erwarb sodann den Kurhut, sicherte das Erbfolgerecht des Erstgeborenen und berei- tete durch ein gewandtes diplomatisches Spiel die neue Zeit des Glanzes vor, welche unter seinem Nachfolger dem welfischen Hause aufgehen sollte. Ueber die Schultern von vierundfünfzig näheren Verwandten hinweg bestieg Georg I. den Thron der Stuarts, und fast gleichzeitig ward sein deutscher Kurstaat abgerundet, das Haus Lüneburg mit dem Calenbergischen ver- einigt, das wichtige Küstenland Bremen und Verden aus dem Schiffbruch der schwedisch-deutschen Großmacht für Kurhannover erworben. Mit stolzer Freude verfolgte das hannoversche Volk das Wiederauf- steigen seines Fürstenhauses. Niemand bemerkte, wie wenig dies revolu- tionäre Schattenkönigthum von Parlamentes Gnaden bedeutete, noch welche klägliche Rolle die erbliche Mittelmäßigkeit der vier George in den Kämpfen der britischen Adelsparteien spielte. Da die englische Aristokratie die äußere Würde der Krone klug zu schonen wußte, und die Bevölkerung der kleinen deutschen Territorien überhaupt noch keinen Staat kannte, sondern nur Land und Leute fürstlicher Geschlechter, so wähnten die Hannoveraner alles Ernstes, Englands Macht sei die Macht des welfischen Hauses. Die deut- schen Großbritannier fühlten sich mit dem Inselvolke durch gemeinsame Unterthanenschaft verbunden, sie sonnten sich behaglich an dem Glanze