Stüve. 555 auch den beiden Trabantenvölkern der englischen Sonne, den Iren und den Deutschen im Glanze der Majestät zeigen. Lärmend war die Freude der Iren, fast noch herzlicher der Empfang in Hannover. Ein fragwürdiger Anblick allerdings: diese unbehilfliche Gestalt mit dem gedunsenen Gesicht und der jugendlichen braunen Kakadu-Perrücke; der rothe Hals war von dem rothen Uniformkragen schwer zu unterscheiden, und der gerühmte königliche Anstand ließ sich auch nur dann bemerken, wenn der Landes- vater nüchtern war. Einerlei, das Volk konnte sich an seinem lebendigen Könige nicht satt sehen; und als er nun gar, in sehr gehobener Stim- mung, den Bürgern seiner deutschen Hauptstadt versicherte: „ich bin stets Hannoveraner gewesen, ich will für immer als Hannoveraner leben und sterben"“ — da flammte die Begeisterung hoch auf. Wenige Wochen zuvor hatte er, ebenfalls in sehr gehobener Stimmung, den Iren betheuert, sein Herz sei stets irisch gewesen. Ueberall im Lande dieselbe Glückseligkeit, zahllose Reden und Gedichte, bald welfisch stolz, bald deutsch gemüthlich. Ein wackeres Bäuerlein hatte mit feinem Verständniß den einzigen Cha- rakterzug Georg's, der deutschen Gemüthern zusagte, herausgefunden und über seiner Thür einen gefüllten Humpen abmalen lassen, darunter die Inschrift: „hei kümmt, hei kümmt; ob hei wohl enen nümmt?“ Die Georgia Augusta feierte in prachtvoller Ode das Glück der vereinten gens Britanna und gens Guelphica, und Heeren schilderte nachher mit histo- rischer Gründlichkeit in einer besonderen Schrift die Empfangsfeier der Musenstadt. Das politische Ergebniß dieses Triumphzuges aber wurde von einem patriotischen Dichter sinnig zusammengefaßt in den Versen: Heil mir, spricht Jeder hochbeglückt, Daß ich den König hab' erblickt! In den Landtag brachten um die Mitte der zwanziger Jahre zwei neu eingetretene Mitglieder wieder einiges Leben: Lüntzel aus Hildesheim, der gelehrte Geschichtsschreiber seiner Vaterstadt, ein wohlmeinender, etwas redseliger Liberaler, und der Osnabrücker Anwalt Carl Bertram Stüve, ein Mann, in dem sich die Eigenart des niedersächsischen Stammes fast so vollständig verkörperte wie das schwäbische Wesen in Ludwig Uhland. „Freigesinnt sich selbst beschränkend, immerfort das Nächste denkend“ — diese Goethischen Verse, die er vor allen liebte, schrieben ihm seine Lands- leute auf sein Denkmal, und in der That hat im buchgelehrten Deutschland selten ein Staatsmann so fest gehaftet an der väterlichen Scholle, an den Gedanken und Gewohnheiten der nächsten Heimath. Stüve's Vater hatte als Syndicus von Osnabrück mit Justus Möser vertraulich verkehrt, und des Sohnes erste literarische Leistung war die Herausgabe des nachgelassenen Bandes von Möser's Osnabrückischer Geschichte. Hier war seine Welt, unter den seßhaften Hofschulzen und den derben Kleinbürgern Westphalens; der wohlhabende Junggesell hat niemals auch nur den Rhein besucht, die Welt des Schönen blieb ihm verschlossen. Er hatte der Burschenschaft