564 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland. „Beide Gegenstände (die Handelspolitik und die braunschweigische Sache) vertragen nicht eine solche Verbindung. Indeß es sich bei dem ersteren um bloß materielle Interessen handelt, gilt es bei dem anderen Gegen— stande Gesinnungen, über welche es sich gar nicht transigiren läßt. Wir wollen nicht zuerst das Beispiel von Mißtrauen oder gar von Unrecht gegen die deutschen Staaten geben, welche bisher den Willen zu haben schienen mit uns in guter Freundschaft zu leben.““) Immer wieder ließ Bernstorff in Wien mahnen, daß man gegen den Herzog eine ernste Sprache führen, den Streit schlechterdings aus der Welt schaffen müsse.“) Fast zwei Jahre lang mußte Nagler in Frankfurt mit dem Präsidial- gesandten kämpfen, der immer neue Ausflüchte fand um die Berathung zu vertagen. Die Herzensmeinung der Hofburg erhellte unwidersprechlich schon aus der einen Thatsache, daß Herzog Karl sich am Bundestage durch Metternich's nächsten Vertrauten, den Nassauer Marschall vertreten ließ. Die hoffärtige, fast drohende Sprache des hannoverschen Gesandten v. Stra- lenheim gab auch den Wohlmeinenden manchen Anlaß zu Bedenken. Endlich, am 20. August 1829, sah sich Münch doch genöthigt zur Abstimmung zu schreiten. Die Mehrheit beschloß den Herzog aufzufordern, daß er die Verordnung vom Mai 1827 zurücknehmen, an König Georg ein Entschuldigungsschreiben richten und seinen Hofjägermeister wegen der Herausforderung des Grafen Münster bestrafen solle. Einige Tage darauf überraschte Münch die Gesandten durch die Mittheilung, die Sitzungen des Bundestags seien für dies Jahr geschlossen. Der Berliner Hof war aufs Aeußerste erstaunt, „wie gerade im gegenwärtigen Moment, bei der bekannten Lage der braunschweigisch-hannoverschen Streitsache, jene ange- kündigte Vertagung irgend für angemessen erachtet werden konnte“. In der That mußte Münch am 17. September, nachdem mehrere Gesandte schon abgereist waren, noch eine nachträgliche Sitzung halten, und nun- mehr ließ König Georg die versöhnliche Erklärung abgeben, daß er auf das Entschuldigungsschreiben verzichte. "“) Widersetzlichkeit gegen den also abgeschwächten Beschluß schien kaum noch möglich; die Commission des Bundestages hatte sich nach Kräften bemüht, unparteiisch zu verfahren und offen ausgesprochen, daß sie den Ton der Münster'schen Streitschrift nicht billigen könne. Aber die erfinderische Bosheit des jungen Welfen wußte sich zu helfen. Er hatte wieder unzählige Einwände und Gegenklagen in Bereitschaft; unter Anderem klagte er über eine längst entschuldigte Gebietsverletzung, die ein hannoversches Bataillon in Folge einer Ueber- schwemmung bei einem Uebungsmarsche begangen hatte. Er forderte, der *) Ministerialschreiben an Bülow in London, 26. Sept. 1828. *“) Ministerialschreiben an Maltzahn, 14., 28. Febr. 1828 u. s. w. ***) Nagler's Berichte, 21. Aug., 3., 22. Sept.; Bülow und Eichhorn, Ministerial- schreiben an Nagler, 13. Sept. 1828.