580 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland. niemals ganz auf; er wußte, daß Smidt in dem Hause Oesterreich den Hort und Halt des Deutschen Bundes, in Preußen den gefährlichen Feind seiner geliebten Kleinstaaten sah. Auf Smidt's Rath entschloß sich der Senat bald nach seiner Wieder— herstellung zu einigen bedachtsamen Reformen: an der Wahl der Raths— mitglieder sollte fortan auch die Bürgerschaft theilnehmen, und der Streit zwischen Lutheranern und Reformirten, der den Frieden der Stadt so oft gestört hatte, ward durch die Gleichstellung der beiden evangelischen Bekenntnisse glücklich beendigt. Die Juden wurden freilich streng aus— geschlossen, und das alte Zunftwesen, das hier ganz entartet und ver— schnörkelt war, blieb auch unverändert. Indeß die Bürger waren zu— frieden; sie freuten sich ihres wiedererwachten ernstlichen kirchlichen Lebens, ihrer großartigen, ganz freiwilligen Armenpflege und vor Allem des be— freiten Handels, der hier selbst den Grundbesitz in seine Dienste zog: jeder Bürger besaß sein eigenes Haus und konnte durch Veräußerung der leicht verkäuflichen Hypotheken, der Handfesten sein ganzes Capital für Handels— geschäfte verwenden. Bremens kriegerische Glanzzeit lag um vier Jahrhunderte zurück, aber die Zeit seiner Handelsblüthe nahte jetzt erst heran da die Stadt sich mit ihren militärischen Bundespflichten durch ein Bataillon geworbener Sol— daten abfand. Gleich nach der Befreiung Nordamerikas hatten die Bremer Kaufleute, unternehmender als die Hamburger, ein schwunghaftes Geschäft mit den Häfen der jungen Union begonnen, und obwohl die Stadt im Jahre 1817 erst durch einen Consul in Nordamerika vertreten war, so fühlte doch Jedermann, daß die Zukunft des Platzes wesentlich von dem Gedeihen seines amerikanischen Eigenhandels abhing. Im Tabakhandel begann Bremen schon viele andere europäische Häfen zu überflügeln, da die fröhliche Rauchlust der Deutschen beständig wuchs. Das oberländische Geschäft war freilich als Geschäft zweiter Hand noch wenig angesehen und gedieh wenig, weil die Binnenmauthen überall hemmten. Die von dem unternehmenden F. Schröder eingerichtete Fluß-Dampfschifffahrt ging bald wieder ein; Hannover fand es nicht der Mühe werth, die Brücke von Hoya, die den Dampfern den Durchgang versperrte, umbauen zu lassen. Bedenklicher war, daß die großen Schiffe des transatlantischen Verkehrs nicht mehr bis zu dem allzuweit landeinwärts gelegenen Weserplatze hinauf gelangen konnten. Wie vormals Schweden und Hannover so führte jetzt Oldenburg den nachbarlichen Krieg gegen die Hansestadt. Der Großherzog fühlte sich persönlich beleidigt durch die Aufhebung des Elsflether Zolles, die ihm Smidt am Bundestage mühsam abgerungen hatte"), und suchte nunmehr den Seehandel der Weser nach dem oldenburgischen Brake abzu- leiten, so daß Bremen gar nicht mehr zu den Seeplätzen zählen sollte. Wie *) S. o. III. 39.