Dahlmann und die Ritterschaft. 595 sein Amtsgenosse, der Jurist Nic. Falck, eine gründliche rechtshistorische Untersuchung über das Verhältniß Schleswigs zu Dänemark und Holstein — denn „Unkunde der Geschichte ist das Grab aller Verfassungen."“ Auch er war ein Mann des historischen Rechts, noch bedachtsamer als Dahl- mann, dem königlichen Hause mit kindlicher Treue zugethan, durchaus kein Freund der liberalen Doktrinen. An diese Führer schloß sich die Mehr- zahl der Kieler Gelehrten an, Dahlmann's Schwager Hegewisch, Pfaff, Twesten und Andere; die Eingewanderten blieben hinter den Eingeborenen nicht zurück, ihnen allen war das schöne Grenzland rasch zur Heimath geworden. Die Kieler Blätter, der literarische Sammelplatz der Univer- sität, brachten in rascher Folge Aufsätze über die Sprachverhältnisse, über die Matrikel, über das rechtmäßige Steuerwesen des Landes, scharfe Er- widerungen auf dänische Angriffe, und so begann bereits der literarische Streit zwischen den beiden Hochschulen Kiel und Kopenhagen, der die politischen Kämpfe Schleswigholsteins einleitete. Nachher gab Dahlmann auch die köstliche Ditmarscher Chronik des alten Pfarrherrn Neocorus her- aus um seine Landsleute zu erinnern an die Heldenkämpfe dieser „Schweizer der Ebene“ und an den alten Holstenspruch „welk ein edel Kleinot und grote Herrlichkeit de leve Frieheit were“". Mittlerweile war Dahlmann zum Sekretär der Ritterschaft ernannt, Falck von den nichtadlichen Grundbesitzern zum Rechtsconsulenten erwählt worden. Die Gelehrten traten in Verbindung mit den Grundherren, und man verständigte sich leicht, obgleich sich in den letzten Jahrzehnten zwischen Adel und Bürgerthum zuweilen Mißhelligkeiten gezeigt hatten, die in der Voß-Stolbergischen Fehde ihren Widerhall fanden. Dem Kreise dieser Ahlefeldt, Holstein, Brockdorff, Moltke, Rumohr, Rantzau war die Eng- herzigkeit des Junkerthums fremd. Sie wußten alle, daß eine veraltete Verfassung, die ein volles Drittheil des Landes, selbst die Städte Altona und Glückstadt, ganz von der ständischen Verfassung ausschloß, nicht ein- fach wiederhergestellt werden konnte; sie wollten auf die Bevorzugung des Adels bei der Besteuerung gern verzichten und waren bereit eine allge- meine Landesvertretung für beide Herzogthümer gemeinsam anzuerkennen. Indeß hielten sie fest an dem guten Grundsatze: Vorrechte sollen zwar dem Rechte weichen, aber auch nur dem Rechte. Nur wenn der König- Herzog ihre Privilegien und damit die Untrennbarkeit der Herzogthümer anerkannte, war eine rechtmäßige Fortbildung des Verfassungsrechts möglich. Schon zur Zeit des Wiener Congresses hatte die Ritterschaft den König durch Niebuhr's Freund, den Grafen Adam Moltke um die Einberufung „eines den Zeitumständen angemessenen Landtags“ ersuchen lassen. Auf wiederholte Bitten gewährte dann Friedrich VI. der Ritterschaft mindestens die bisher immer hinausgeschobene Bestätigung ihrer Privilegien (17. Aug. 1816), aber die Bestätigung erfolgte in zwei verschiedenen Urkunden, für Schleswig und für Holstein besonders. 38“