604 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. Welt des Schönen wieder einzuführen in die Lebensgewohnheiten eines Volkes, das trotz der Meisterwerke seiner Dichter und Tonsetzer noch so dürftig, geschmacklos, banausisch dahinkümmerte, und er lebte diesem großen Zwecke mit einer Opferfreudigkeit, wie sie nur der echten Begeisterung entspringen kann. In scharfem Gegensatze zu seinem Schwager Friedrich Wilhelm besaß er was den Enthusiasten gemeinhin zu fehlen pflegt, eine eiserne Willenskraft, eine Hartnäckigkeit, welche fast an seinen Ahnherrn den Schweden Karl XII. erinnerte; von den zahllosen künstlerischen Plänen, die ihn beschäftigten, kam mancher nicht zur Reife und mancher mißrieth, aber keiner, den er einmal in Angriff genommen, blieb halbvollendet liegen. So ward er nach Karl August der größte Mäcenas der deutschen Geschichte, und mit Recht stellt ihn heute die Nachwelt höher, als die Zeitgenossen außerhalb Baierns zugeben wollten; denn vergessen sind seine närrischen Schrullen, die den Mitlebenden bald lächerlich bald anstößig erschienen, und verharscht die Wunden, die er durch eine launisch abspringende Politik dem bairischen Staate schlug; aber geblieben ist als ein Besitzthum der Nation eine Fülle edler Werke, welche ohne die offene Hand und den rast- los planenden Kopf König Ludwig's nie entstanden wären, und auf allen Gebieten der Kunst wie des Kunsthandwerks neue Schaffenslust erweckt haben. Er erhob seine Hauptstadt zu einer der großen Bildungsstätten, deren das deutsche Leben nicht mehr entbehren kann, und löste fürstlich seine Zusage: dahin müsse es kommen, daß Niemand Deutschland kennen könne, der nicht auch München gesehen habe. Selten hat eines Mannes Kopf so wunderliche Widersprüche friedlos neben einander beherbergt. Hellenischer Schönheitssinn und bigott katholische Gläubigkeit; ehrliche Liebe zum Volke und eine Ueberschätzung der könig- lichen Würde, die der Selbstvergötterung nahe kam; schwärmerisches Teu- tonenthum und wittelsbachischer Dynastenstolz — das Alles trat grell und unvermittelt zu Tage, da die Natur dem Könige von den schlichten Gaben des Menschenverstandes, des Taktes, der Mäßigung nur wenig geschenkt hatte. Die Harmonie, die er an Kunstwerken so wohl zu schätzen wußte, war seiner Persönlichkeit versagt. Die ungeduldigen Bewegungen der hoch- aufgeschossenen Gestalt, der schiefe Blick der feurigen Augen und die hastige stotternde Sprache verriethen eine seltsame innere Rastlosigkeit. Derselbe Mann, der mit seinen Künstlern auf den Malergerüsten stundenlang menschlich harmlos plauderte und scherzte, konnte im Zorne, in einem An- fall herrischer Laune die zartesten Empfindungen seiner Freunde roh ver- letzen oder unter dem Rufe „der König, der König!“ einem Vorübergehen- den auf der Straße den Hut vom Kopfe schlagen. Dieser geistvolle Kenner des Schönen mißhandelte selber die deutsche Sprache durch Wortverren- kungen und Participialconstructionen sonder gleichen und schmiedete seine siebenfüßigen Hexameter mit vollkommener Geringschätzung aller Gesetze des Versbaues. Er arbeitete unablässig vom grauenden Morgen an und ver-