606 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. jährige Kronprinz an dem Ruhme jenes blutigen Schlachttags gewesen war. Und dieser byzantinische Ton hielt an. An jedem Ludwigstage feierte Schelling als Präsident der Akademie den Ruhm des Königs mit einer Unterthänigkeit, welche von dem würdigen Freimuth der Festreden Böckh's in Berlin häßlich abstach, und die dankbaren Künstler geizten auch nicht mit dem Weihrauch. Ein Steindruck, der in den Dorfwirthshäusern des Gebirgs verbreitet wurde, stellte den König inmitten seiner Prachtbauten dar; dazu die Aufschrift: die Nachwelt wird ihn einst den Großen nennen! Alles an ihm sollte genial sein. Sogar seine Gedichte wurden bewundert, nicht bloß bei Hofe, sondern auch von dem ehrlichen Liberalen Andreas Schmeller, der in hellem Entzücken ausrief: „Konnten auf frostigen Höh'n solche Gewächse gedeih'n?“ Jenseits der blauweißen Grenzpfähle erweckte das unerwartete Erscheinen dieser unglücklichen Gedichtsammlung allerdings andere Betrachtungen. Die Conservativen fragten erstaunt, ob der bai— rische Monarch denn gar keinen ehrlichen Freund besitze, der ihn hätte warnen können. Der Opposition bot die barbarische Formlosigkeit der wittelsbachischen Vers-Ungethüme unerschöpflichen Stoff für boshafte Witze, die Citate aus König Ludwig's Gedichten blieben viele Jahre hindurch, zur Verzweiflung der Censoren, willkommene Leckerbissen für die liberalen Zeitungsleser, und man gewöhnte sich auch die wirklichen Verdienste des Königs zu verspotten. Nur Chamisso fand ein Wort des Mitgefühles für die tragische Einsamkeit des gekrönten Freiheitssängers, dem Niemand „in seines Herzens Schattenreich“" geblickt hatte. Die blinde Bewunderung seiner Baiern konnte den neuen Herrscher, nachdem er jahrelang unfreundliche Zurücksetzung ertragen, nur in seinem despotischen Eigenwillen bestärken. Er hatte seine Verfassungstreue bei der Entstehung des Grundgesetzes und nachher im Kampfe wider die Karlsbader Beschlüsse immer tapfer bethätigt; er rühmte sich dem ersten constitutionellen Fürstenhause Deutschlands anzugehören und sang in seinem Gedichte „Königsgefühl“: Herrlich, über freies Volk zu walten, Nicht nach Willkür grenzenlos zu schalten! Aber die neufranzösische Lehre, daß der König nur herrsche, nicht regiere, wollte er aus guten Gründen in seinem Baiern nicht zulassen, und mit seiner unruhigen Vielgeschäftigkeit übte er sein Recht königlicher Selbst- regierung in solchem Umfange aus, daß in Wahrheit sein Wille überall allein entschied, obgleich die Verfassung niemals absichtlich verletzt wurde. Das Größte wie das Kleinste im Lande unterlag den seltsamen Einfällen seines rastlosen Kopfes: weil es ihm beliebte den Namen Baiern mit dem altväterischen y zu schreiben, durfte kein bairischer Drucker mehr das ver- botene i anwenden. Seine erste Sorge galt den Finanzen, die unter dem gutherzigen alten König niemals ganz ins Gleichgewicht gelangt waren; für Pensionen allein wurden jährlich, das Heer ungerechnet, fast 5 Millionen