Universität München. 611 bairischen Weizengrafen den Gelehrten doch gar zu nahe, auch hemmte noch überall der alte halbgeistliche Unterrichtszwang. Der König gewährte ihr jetzt die unbeschränkte norddeutsche Lehr- und Lernfreiheit, die er einst als Student in Göttingen schätzen gelernt hatte. Er hoffte, indem er sie mit der Münchener Akademie verband, die Bildung der Jugend durch eine an— regende Umgebung zu fördern und zugleich die Hauptstadt mit einer Fülle geistiger Kräfte zu bereichern; sein München sollte für das wissenschaft— liche Leben des katholischen Deutschlands ein Brennpunkt werden wie Berlin für den protestantischen Norden. Von den zahlreichen Neuberufungen lehnten Tieck, Thibaut, Raumer und mehrere Andere ab, die Meisten weil sie die berüchtigte bajuvarische Ungastlichkeit fürchteten. Aber Schelling kam, und seine reiche Lehrthätig— keit gab der umgestalteten Hochschule auf lange hinaus das Gepräge. Er lebte jetzt in dem geheimnißvollen Ideenkreise seiner längst angekündigten Theosophie und gab die Losung zum Kampfe gegen Hegel. Dieser Gegen— satz zu der Berliner Philosophenschule trat auch in den Vorlesungen des Mystikers Baader, des frommen Naturphilosophen Schubert, der jungen Docenten Stahl, Puchta, Döllinger überall hervor; am schärfsten aber in den phantasiereichen Vorträgen von Görres, dessen Berufung auf die seltsame katholisch-liberale Gesinnung König Ludwig's ein grelles Schlag— licht warf. Jene salbungsvolle Ansprache des Kurfürsten Maximilian empfing also ihren Lohn, und der dankbare Wittelsbacher ließ sich auch nicht beirren, als die preußische Regierung, auf ausdrücklichen Befehl König Friedrich Wilhelm's, die ängstliche Anfrage stellte, ob diese Be— rufung, ohne Rücksprache mit den preußischen Behörden, nach Bundes— recht statthaft sei.) Zum Lehrer war Görres verdorben. Die mystische Bilderpracht seiner Rhetorik zog Schaaren von Zuhörern an, aber sie trugen nur den Rausch einer unbestimmten Begeisterung davon; was sollten sie auch lernen, wenn er ein ganzes Semester brauchte um den Gang der Weltgeschichte bis zur Sintfluth darzustellen? Um so mächtiger wirkte er als Parteihaupt, als Vorkämpfer der streitbaren Kirche; sein Haß gegen Preußen wurde allmählig durch die confessionelle und die per— sönliche Erbitterung bis zum Fanatismus gesteigert. Der Heiligenschein des politschen Martyriums kam ihm zu statten; die Clericalen sprachen von dem alten Görres mit derselben Ehrfurcht wie die Liberalen von dem altem Arndt und dem alten Jahn. Auch Oken erhielt einen Lehrstuhl, gerieth aber nach seiner Gewohnheit bald wieder in Händel; auch der biderbe Maßmann, der Bücherverbrenner von der Wartburg, durfte zu— gleich germanistische Vorlesungen halten und auf dem Turnplatze seine Teutonen schulen. Die Münchener Hochschule besaß an Thiersch einen trefflichen Er— *) Cabinetsordre an Altenstein, 25. Dec. 1827. 39 *