Das Heidelberger Protocoll. 625 sodann seinen Nebenius zu gleichem Zwecke nach Württemberg. Der badische Bevollmächtigte ward in Stuttgart sehr unfreundlich aufgenommen und wochenlang hingehalten, da der württembergische Unterhändler stets zur unpassenden Stunde unwohl wurde. Gekränkt und verstimmt dachte er schon heimzureisen; da erfuhr er endlich, daß Württemberg inzwischen schon eine neue geheime Verhandlung mit Baiern begonnen habe.“) Die Nachricht von dem badisch-hessischen Vertrage hatte den Münchener Hof mit schwerer Sorge erfüllt. Man fürchtete die Führerschaft im Süden zu verlieren und gerieth in Unruhe wegen der Rheinpfalz; diese unzu- friedene Provinz forderte dringend, fast drohend eine Verständigung mit den Rheinuferstaaten, die für ihr Handelsinteresse weit wichtiger seien als die altbairischen Lande. Ueberdies hatte Blittersdorff den unsterblichen Art. 19 und die Handelssache soeben am Bundestage wieder zur Sprache gebracht; und obwohl dies nur ein Zeichen der Rathlosigkeit war, so wollte doch Baiern jede Einmischung des Bundes abschneiden. So ge- schah es, daß Schmitz-Grollenburg's Anträge jetzt in München einer gün- stigeren Stimmung begegneten. König Max Joseph gestattete, daß der württembergische Geheimrath Herzog nach München kam. Während man Nebenius in Stuttgart mit leeren Ausflüchten vertröstete, ward an der Isar über einen süddeutschen Zollverein verhandelt. Schon am 4. Oktober 1824 kam dort ein vorläufiger Vertrag zu Stande; im folgenden Monat traten die Bevollmächtigten der beiden König- reiche in Stuttgart zusammen, um die Vereinbarung endgiltig festzustellen. Gewitzigt durch den ziellosen Meinungswirrwar der Darmstädter Con- ferenzen zogen Baiern und Württemberg diesmal vor, zunächst unter sich ins Reine zu kommen, dann erst die kleinen Nachbarn zum Beitritt auf- zufordern. Ein richtiger Gedanke, sicherlich, doch die Heimlichkeit des Ver- fahrens verletzte die oberrheinischen Höfe. In Karlsruhe wie in Darm- stadt prahlte man gern: wir können Baierns entbehren, Baiern nicht unser, da wir seine Verbindung mit der Rheinpfalz beherrschen. Um so bitterer empfand man das rasche Vorgehen des Münchener Hofes. Um „den Prätensionen der königlichen Höfe“ entgegenzutreten, eilte Berstett nach Frankfurt, besprach sich dort mit Marschall. Gleich darauf (19. Novb. 1824) hielten Berstett, Nebenius, du Thil und Hofmann in Heidelberg eine geheime Zusammenkunft, welche der badische Minister selber in einem vertrauten Briefe „ein Gegengift“ gegen die bairisch-württembergischen Umtriebe nannte.) Das hier vereinbarte Protocoll, dem nachher auch Marschall beitrat, wurde bedeutungsvoll für die Geschichte der deutschen Handelspolitik; denn hier spielte der Particularismus seinen höchsten Trumpf aus, er stellte *) Nebenius' Bericht, 15. Sept. 1824 ff. *“) Berstett an Blittersdorff, 27. Nov. 1824. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 40