Verständigung zwischen Baiern und Württemberg. 629 1826 einen Brief an seinen erlauchten Nachbarn, schlug ihm vor, die abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen und zunächst einen bairisch-württembergischen Verein zu stiften. König Ludwig ging darauf ein. Da die beiden Staaten schon in Darmstadt und Stuttgart zusammen- gehalten hatten und ihre Zollgesetze nur geringe Unterschiede aufwiesen, so nahmen die im folgenden Monat zu München begonnenen Verhand- lungen günstigen, wenngleich sehr langsamen Fortgang. Am 12. April 1827 wurde ein Präliminarvertrag unterzeichnet. Man beschloß, „die angrenzen- den Staaten“ zum Beitritt aufzufordern und ihnen zugleich die politische Bedeutung dieses rein deutschen Bundes ans Herz zu legen. Der werdende Verein war nicht gradezu gegen Preußen gerichtet; er wurde in Berlin mit gelassener Ruhe angesehen. Freilich ging aus dem Wortlaut jener Verabredung wie aus dem ganzen Verhalten der Bundesgenossen unzweifel- haft hervor, daß an Preußens Beitritt nicht entfernt gedacht wurde. Man hoffte Macht gegen Macht mit Preußen über Handelserleichterungen zu verhandeln und wollte im Nothfall selbst Retorsionen gegen die preußischen Zölle anwenden. Der Verein sollte den Kern des „reinen Deutschlands" bilden, „ein immer engeres gegenseitiges Anschließen in allen politischen Beziehungen zur unmittelbaren heilsamen Folge haben", wie das bairische Cabinet nach Stuttgart schrieb.) Indeß die angrenzenden Staaten hatten längst verlernt auf einen süddeutschen Verein zu hoffen, und sie fürchteten Baierns Führung. Am 15. Mai 1827 besprachen sich Berstett und du Thil nochmals in Heidel- berg; gleich darauf sendeten die drei oberrheinischen Höfe ablehnende Ant- worten nach München. Berstett erwiderte schroff, Baden wolle nicht eine künstliche Industrie durch Schutzzölle groß ziehen. Der Nassauer Hof ließ in Stuttgart seine Verwunderung aussprechen, wie nur Württem- berg ein solches „Mercantilsystem“ annehmen und einem größeren Hofe sich unterwerfen könne.“*) Hessen-Darmstadt aber, außer Stande sein drücken- des und doch unergiebiges Mauthwesen länger zu halten, verfeindet mit Kurhessen, voll Mißtrauen gegen die süddeutschen Nachbarn, richtete end- lich bestimmte Anträge nach Berlin. Dergestalt haben jene Münchener Verhandlungen die entscheidende Wendung in der Geschichte deutscher Handelspolitik herbeigeführt — einen heilsamen Umschwung, den weder König Ludwig noch König Wilhelm beabsichtigte. Minister du Thil, der jetzt die Finanzen und die auswärtigen Angelegen- heiten seines Großherzogthums zugleich leitete, befand sich, wie er selbst *) Bairisches Ministerialschreiben v. 22. März 1827. **) Berichte Maltzan's, 23. Mai, Blittersdorff's, 11. Mai 1827.