652 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. Systems selber ward in Frage gestellt. Unter der Maske der Neutralität beschloß man den Zollkrieg. Um nur Preußen zu schädigen verpflichtete sich die sächsische Regierung, ihre eigenen Fabriken in wehrlosem Zustande zu lassen, die Industrie des Erzgebirges der englischen Concurrenz völlig preiszugeben. Wahrhaftig nicht patriotische Gesinnung war es, was die kleinen Staaten unseres Nordens endlich in den preußisch-deutschen Zoll- verein führte; kein Mittel, auch das verwerflichste nicht, blieb unversucht das preußische Zollsystem zu sprengen; erst nachdem alle Angriffe gescheitert waren, unterwarf man sich nothgedrungen der deutschen Handelseinheit. Die Oberschönaer Punctation wurde dem sächsischen Bundestags- gesandten Bernhard von Lindenau zugesendet; dort in der Eschenheimer Gasse sollten dem „sächsischen Anti-Zollvereine“, wie man in Berlin sagte, neue Anhänger geworben werden. Eine edle, hochsinnige Gelehrtennatur, ehrlich liberal und begeistert für Deutschlands Größe, hatte Lindenau bis vor Kurzem im gothaischen Ministerium mit Einsicht gewirkt. Er wünschte aufrichtig die deutsche Handelseinheit und gestand seinem Darmstädter Amtsgenossen in Frankfurt: wäre Kurhessen dem preußischen Vereine bei- getreten, so hätte ich auch für den Beitritt Sachsens und Thüringens gestimmt. Nun Kurhessen sich weigerte, hoffte er sein Ziel auf anderem Wege zu erreichen: durch einen Bund der norddeutschen Lande, welcher den preußischen Staat zur Milderung seines Zollsystems zwingen sollte. Auch er krankte an dem Erbfehler der kleinen Diplomatie, er überschätzte die Macht seines Staates und sah nicht, daß die preußische Regierung den Versuch, ihr Gesetze vorzuschreiben, als offene Feindseligkeit betrachten und sich zur Wehre setzen mußte. Also hat der treffliche Mann seinen lauteren Idealismus, seine lebhafte, ruhelose Thätigkeit eingesetzt für Pläne, die der dynastischen Scheelsucht entsprangen, und zwei Jahre lang an einem Vereine gearbeitet, welchen Stein verächtlich als einen Afterbund verdammte. Selbst die Sippschaft höchst unzweideutiger politischer Charaktere, welche sich sofort des Oberschönaer Planes bemächtigte, öffnete dem sächsischen Staatsmanne nicht die Augen. Münch und Langenau, Marschall und Rothschild, alle Stützen der österreichischen Partei warben für den Handelsverein. Mehrmals in der Woche kam der Herzog von Nassau zu Langenau hinüber, um neue Bundesgenossen zu gewinnen. Dergestalt war wieder einmal eines jener anmuthigen Ränkespiele eingeleitet, welche von Zeit zu Zeit die trostlose Langeweile der Bundes- tagsgeschäfte wohlthätig unterbrachen. Daß Oesterreich alle Fäden der Verschwörung in seiner Hand hielt, war bald am Bundestage offenkundig. Mit gewohnter Treuherzigkeit stellte die Hofburg jede Parteinahme in Abrede. Der k. k. Hofrath v. Kreß, der Leiter der österreichischen Handels- sachen, betheuerte dem preußischen Geschäftsträger feierlich: mit keinem Worte habe Oesterreich den Anschluß Darmstadts zu verhindern gesucht: er selber habe die Correspondenz geführt und nach Darmstadt geschrieben,