Der Zollkrieg. 659 Vertrags liegt in der Vereinigung selbst, in dem für sechs Jahre begrün— deten non plus ultra. Das Wesentliche liegt ferner in dem durch diese sechsjährige engere Verbindung begründeten Ablehnungsmotive von An- sinnungen mancher Art, denen, wenn sie von übermächtiger Seite aus- gehen, der Einzelne und Schwächere nicht viel mehr als die Bitte um Schonung entgegenzusetzen hat.“ Das Wesentliche liegt endlich in der Aussicht, zu einer Verbindung mit anderen Staaten „mit Ehren gelangen zu können“. Baiern und Preußen haben dasselbe, ja ein größeres Bedürf- niß nach einer Annäherung an die Vereinsstaaten als diese selbst; daher muß der Verein die Verbindungsstraßen zwischen Baiern und Preußen fest in der Hand halten, ihre freie Benutzung nur kraft gemeinsamen Beschlusses bewilligen. So wird er eine gesetzliche Ordnung mit verhält- nißmäßig gleichen Rechten für ganz Deutschland begründen. Die Denkschrift schließt mit der pathetischen Frage: „Kann man denn aus irgend einem Grunde auch nur vermuthen, daß Preußen die fieber- haften Träume, in welchen eine übermüthige Partei das ganze nördliche Deutschland nur als eine mit Unrecht noch länger vorenthaltene Beute des preußischen Adlers erscheinen lassen möchte, irgend theilen oder be- günstigen werde?“ Naiver ließ sich die Seelenangst der Kleinen nicht aussprechen. Nicht irgend ein positiver Gedanke, sondern allein die Furcht vor Preußens und Baierns Uebermacht, der ohnmächtige Wunsch, ein tertium aliquid zu bilden, wie der alte Gagern sagte, hatte den mittel- deutschen Verein geschaffen. Aber je rathloser man sich fühlte, um so lauter ward gelärmt; „es war ein Gegacker,“ schreibt du Thil, „als sei ein großes Werk vollendet worden.“ Zahllose Orden belohnten alle Theil- nehmer der Casseler Berathung, bis zum Kanzlisten herab. Selbst die einzige Waffe, die man gegen Preußen schwingen konnte, erwies sich als unwirksam; den preußischen Durchfuhrhandel zu lähmen war unmöglich, so lange die Handelsstraßen, welche das preußische Gebiet umgehen sollten, noch nicht gebaut waren. Mannigfache Entwürfe wurden zu Cassel besprochen; man träumte von neuen Handelswegen dicht neben Darmstadts Grenzen, von einem langen Straßenzuge aus Sachsen über Altenburg und Gotha nach Kurhessen, der den Verkehr hinwegleiten sollte von der großen preußischen Chaussee über Kösen und Eckartsberge. Aber wer sollte die Straße bauen? Die verarmten kleinen ernestinischen Staaten besaßen nicht die Mittel, die größeren Bundesgenossen wollten kein Geld vorschießen. Zudem stieß man überall auf preußisches Gebiet; wie sollte die Erfurter Gegend umgangen werden, wo Preußen bereits eine gute Chaussee gebaut hatte? Unablässig arbeitete die Diplomatie der Bundes- genossen, um Baiern und Württemberg von Preußen fern zu halten; der hannoversche Gesandte Stralenheim in Stuttgart ward nicht müde, den König Wilhelm vor Preußens Fallstricken zu warnen. Beharrlich wieder- holte der Dresdner Hof, der die Führung des Vereins behielt, er sei 42*