674 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. Wunsch, den Verkehr im Lande zu halten, blieb ja der höchste Gedanke, dessen die Handelspolitik der Kleinstaaten jener Tage fähig war. Wie oft sind die Staatsmänner der Ernestiner nach München oder Berlin geeilt um durch dringende Bitten den Bau einer Umgehungsstraße zu verhindern; wie jammerte Frankfurt, da im Frühjahr 1829 ein Spediteur Waaren aus der Schweiz nach Leipzig über Nürnberg sendete und billigere Fracht berechnete als seine Frankfurter Concurrenten. Diese Straßenpolitik war das beste Rüstzeug des mitteldeutschen Vereins, und Motz beschloß die Verbündeten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Er eröffnete Ver- handlungen mit Meiningen und Gotha, noch bevor der bairische Vertrag abgeschlossen war. Der Herzog von Coburg kam selbst nach Berlin. Am 3. Juli 1829 wurde mit Meiningen, Tags darauf mit Gotha ein Ver- trag geschlossen „um die Hindernisse zu beseitigen, die vorzüglich durch örtliche Verhältnisse dem Handel und gewerblichen Verkehr entgegenstehen“. Die drei Staaten verpflichteten sich gemeinsam einen großen Straßenzug zu bauen von Langensalza über Gotha nach Zelle, von da über Meiningen nach Würzburg und über Suhl, Hildburghausen, Lichtenfels nach Bamberg. Preußen schoß den kleinen Herren die Gelder vor. Der Durchfuhrhandel auf den neuen Straßen wurde völlig freigegeben. Dazu mehrfache Zollerleichterungen und freier nachbarlicher Verkehr zwischen Meiningen, Gotha und Preußens thüringischen Enclaven. Es war dieselbe Straße quer über den Kamm des Thüringer Waldes, die nachher in der Eisenbahnpolitik des Deutschen Reiches noch einmal eine bedeutsame Rolle spielen sollte. Diese beiden unscheinbaren Verträge haben in Wahrheit den mittel- deutschen Verein vernichtet. Denn erst jetzt erhielt der preußisch-bairische Vertrag praktischen Werth. Motz eilte selbst nach Thüringen, um den raschen Ausbau der Straßen zu fördern. Sobald dieser zollfreie Straßen- zug vollendet war, standen die beiden verbündeten Zollvereine in gesicherter geographischer Verbindung, ihre völlige Verschmelzung blieb nur noch eine Frage der Zeit. Zugleich hatte das Berliner Cabinet mit Mecklenburg den Bau einer neuen Straße von Hamburg nach Magdeburg verabredet. Der mächtige Waarenzug zwischen der Nordsee und der Schweiz ward von Hannover, Cassel und Frankfurt hinweggelenkt auf die Straße Magdeburg- Nürnberg. Der mitteldeutsche Verein, der Baiern und Preußen ausein- ander halten sollte, wurde durch einen Meisterstreich der preußischen Diplomatie selber in der Mitte zerspalten. Immer wieder drängt sich der Gedanke auf, wie viel langsamer der Knoten sich hätte entwirren lassen, wenn ein Reichstag die diplomatische Aktion des Berliner Hofes lähmte. Wer diese unterirdische Arbeit auf ihren verschlungenen Wegen verfolgt, der muß wo nicht billigen so doch verstehen, daß ein freier Geist wie Trendelenburg damals den preußischen Absolutismus als einen Segen für Deutschland pries.