Neunter Abschnitt. Literarische Vorboten einer neuen Zeit. Der Vertrag zwischen den beiden Zollvereinen des Südens und des Nordens eröffnete den Deutschen die Aussicht auf ein nationales Markt— gebiet, das ihnen seit Jahrhunderten gefehlt hatte, und also auf einen unerhörten Aufschwung der wirthschaftlichen Kräfte. Aber Jahre ver— liefen noch bis aus jener ersten Verständigung ein dauernder Verein her— vorging, und dann nochmals Jahre, bis unter dem Schutze der neuen Zolllinien eine mächtige Großindustrie emporblühte. Erst um das Jahr 1840 begannen mit den Fabriken und den Börsen, den Eisenbahnen und den Zeitungen auch die Klassenkämpfe, die unstete Hast und das wage— lustige Selbstgefühl der modernen Volkswirthschaft in das deutsche Leben einzudringen. Bis dahin verharrte die Mehrheit des Volkes noch in den kleinstädtischen Gewohnheiten der ersten Friedenszeiten, seßhaft auf der väterlichen Scholle, im hergebrachten Handwerk still geschäftig, zufrieden mit den bescheidenen Genüssen des ungeschmückten Hauses. Schon gegen das Ende der zwanziger Jahre verriethen jedoch manche Anzeichen, daß eine große Wandelung der nationalen Gesittung im Anzuge war. Wie auf die goldenen Tage der Dichtung unseres Mittelalters, so sollte auch auf die Zeiten von Jena und Weimar eine prosaische Epoche folgen, die ihre Thatkraft zumeist nach außen, auf die Kämpfe des Staates, der Kirche, der Volkswirthschaft richtete. Die Vorboten dieses Umschwungs wurden in der Literatur, die so lange der treue Spiegel aller deutschen Herzensgeheimnisse gewesen war, früher bemerkbar als im praktischen Leben. Die Dichtung behauptete nicht mehr den Herrschersitz im Reiche der Geister. Wie einst der Verfall der italienischen Architektur sich gerade in der massenhaften und doch un— fruchtbaren Bauthätigkeit des achtzehnten Jahrhunderts bekundet hatte, so bewies jetzt die unübersehbare Menge der gehaltlosen Unterhaltungs- romane und Taschenbuchsgedichte, welche den deutschen Büchermarkt über- füllten, daß unsere Poesie ins Kraut schoß und nur noch selten süße Trauben trug. Ein schlimmes Zeichen der Zeit war die zunehmende Schreiblust der Frauen. Gleich allen großen Epochen der Kunst war auch